Das Band der Magie
auch Keelins Finte nicht. Ich sah in letzter Sekunde weg, aber mein Gehör ließ sich nicht so einfach abschalten: das Geräusch, als das Schwert in Mahedans Fleisch eintauchte, sein Keuchen, das bald in ersticktes Röcheln unterging, und der Laut, als sein Körper auf den Boden aufschlug.
Keelin ließ sofort sein Schwert fallen und kniete sich hastig an Mahedans Seite. Auch die Wachen traten näher, den Blick gesenkt, die Mienen feierlich.
Mahedan starb wenige Sekunden später inmitten all der Hügelgräber, umrundet von seinen Wachen, die Hand in der Hand seines Feindes. Die Feindseligkeit war aus seinen kalten Augen gewichen, seine Augen blickten starr in Keelins Gesicht. Kurz bevor er seinen letzten Atemzug tat, presste er noch aus seinen Lungen: „Ich musste es tun.“
„Ich weiß.“
„Kümmer dich um meinen Sohn.“
„Natürlich.“
Dann erschlaffte sein Körper. Die Wachen starrten betroffen zu Boden, während die Geister näher zu dem Toten herüber schwebten. Ich spürte, dass sie traurig über die erneute Gewalt in diesen Mauern waren.
Und sie wollten Mahedan bestatten.
Auch Keelin hatte sie bemerkt, denn er stand auf, faltete Mahedans Arme auf der Brust und trat zurück, um den Geistern zuzunicken. Sie schwebten langsam heran, während die Erdgeister bereits Erde auf den toten Körper warfen.
Wir warteten.
Es gab keine Grabrede oder so. Keinem von uns fielen Worte ein, die hier angemessen gewesen wären. Daher schwiegen wir, bis die Geister ihr Werk verrichtet hatten. Mahedans Körper war verschwunden, stattdessen war da ein neues Grab. Über ihm flackerte ein winziger Feuergeist als Grablicht.
Keelin war in der Zwischenzeit zu mir herübergekommen und hatte meine Hand genommen. Sie fühlte sich so völlig natürlich in meiner an. Warm und geborgen.
Ich sah aus dem Augenwinkel, dass er mit den Tränen kämpfte, und wollte gerade etwas Beruhigendes sagen, da seilte sich Meeha als winziges Eichhörnchen von meinem Haar ab. Wann war sie denn auf meinen Kopf geklettert?
Verwirrt versuchte ich, sie richtig sehen zu können, denn sie baumelte keine fünf Zentimeter vor meinem Auge herum.
Sie gestikulierte wild und hielt mir einen winzigen, golden schimmernden Baum unter die Nase. Der Winzling hatte sogar Äste und winzig kleine Blätter. Ich musterte den Baum verwirrt.
„Was meinst du?“, fragte ich sie.
Sie verdrehte die Augen, als sei ich eine völlige Idiotin. Weil sich Keelin aber zu uns rüber gebeugt hatte, hielt sie stattdessen ihm den Baum vor die Nase. Auch er wirkte kurz verwirrt, lächelte dann aber und sagte feierlich: „Es wäre die größte Ehre überhaupt.“
Meeha nickte zufrieden, hüpfte aus unserem Blickfeld und huschte sonstwohin. Kurz sah ich sie, als sie vor Mahedans neuem Grab stehen blieb. Sie schien zu überlegen, denn ihr Schwanz zitterte nervös. Dann hüpfte sie aber doch weiter – hinüber zum Grab von Keelins Frau.
Ich sah Keelin nervös an. Er wirkte aber keineswegs beunruhigt, sondern eher erfreut. „Wart`s ab!“, flüsterte er mir zu.
Meeha war wieder mit Buddeln beschäftigt, doch diesmal stopfte sie keine Nuss in das Loch, sondern den merkwürdigen Baum. Sofort stürzten sich tausende Wassergeister darauf und ertränkten die arme Pflanze um ein Haar.
Der Baum zitterte – und schoss mit einem Mal in die Höhe, fast so, als warte er schon lange darauf, endlich freigelassen zu werden.
Er verwandelte das Grab von Keelins Frau innerhalb von Sekunden in ein einziges Geflecht aus Wurzeln, umhüllte all die anderen Gräber und wuchs und wuchs und wuchs.
Mir klappte vor Staunen die Kinnlade nach unten.
Ich spürte, dass dieser Baum etwas Besonderes war. Seine Blätter schimmerten in allen Varianten von Gold, ab und zu mischte sich auch mal ein etwas bunterer Farbton darunter. Jedes einzelne Blatt war verschieden: Ahorn, Buche, Trauerweide – jede Baumart war vertreten. Genauso unterschiedlich sah auch der Stamm aus.
Die Geister hörten sofort mit ihrer Arbeit auf und warfen sich wie Ertrinkende auf den gigantischen Koloss. Sie turnten jauchzend durch seine Äste oder ruhten sich auf den riesigen Blättern aus.
„Ein Elementarbaum!“, flüsterte Keelin in mein Ohr. Der Stamm des Baumes war quasi direkt vor unserer Nase in die Höhe geschossen und befand sich zwei Handspannen von uns entfernt. Wir standen jetzt nicht mehr auf Erde, sondern auf einer Wurzel. Um in die Blätterkrone blicken zu können, musste ich den Kopf in den Nacken legen.
„Wir
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