Das Band der Magie
humpelte ich, weil ich ja nur einen Schuh trug.
Dann erinnerte ich mich wieder der Wachen, die um uns herum standen. Natürlich. Sie hatten bestimmt Waris mit. Und … Mahedans Wari war ja jetzt verwaist, sozusagen. Wie gesagt: Ich bin ein praktisch denkender Mar!
Die Wachen folgten uns. Ihr Anführer trat etwas zögernd neben Keelin, verbeugte sich sogar etwas linkisch. „Ich nehme an, es geht zurück zum Schloss, mein Prinz?“
„So ist es.“
Wir erreichten die wartenden Waris in Rekordtempo. Sie standen außerhalb der Hügellandschaft und beäugten den Friedhof nervös. Als sie uns sahen, röhrten sie uns ein Hallo entgegen.
Die Wachen holten ihre Tiere und drückten Keelin die Zügel eines dunklen Waris in die Hand. Es musterte uns misstrauisch und ließ seinen Blick schweifen, als suche es jemanden.
Mahedan. Natürlich.
Es war ein irgendwie trauriger Anblick. Ich streichelte kurz seinen Hals, dann hatte mich Keelin auch schon auf seinen Rücken gesetzt und sich hinter mich geschwungen. Er nutzte natürlich die Chance, mich dabei zu umarmen.
„Du bist jetzt ihr Prinz?“, erkundigte ich mich beiläufig. „So ganz richtig und ganz allein?“
„Äh, nein. Eigentlich hat sich seit der Hütte nichts geändert: Ich bin zwar der Prinz der Shadun, aber Tristan hat die Vorherrschaft.“
Die Wachen warfen ihm einen verblüfften Blick zu, aber ich erdolchte sie schnell mit meinem. Das war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um ihm die Wahrheit zu sagen. Nicht schon wieder.
Falls Keelin spürte, dass wir ihm etwas verheimlichten, ging er zumindest nicht darauf ein. Er setzte sich nur an die Spitze des kleinen Trupps und ritt los. Schweigend. Gerade war wohl niemandem nach Sprechen zumute, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.
Wir waren alle froh, als wir den hinteren Wall überqueren und so dem Friedhof den Rücken kehren konnten. Ich drehte mich aber noch einmal um, damit ich hoch zum Kriegerdenkmal blicken konnte.
„Haben das die Menschen erschaffen?“, fragte ich Keelin. Er folgte meinem Blick. „Als Siegesstatue?“
„Das ist keine Statue, sondern ein zu Stein gewordener Mensch. Ian war sein Name. Und er hat uns alle gerettet, damals am Ende der Schlacht.“
Ich spürte, dass Keelin eigentlich nicht mehr erzählen wollte, aber meine Neugierde war natürlich entflammt. „Ein Mensch hat euch gerettet? Wie? Und warum wurde er zu Stein?“
Keelin seufzte leise. Er schien einzusehen, dass er mich nicht mit kurzen Antworten abspeisen konnte. „Er war der erste Mensch seit vielen, vielen Jahrhunderten, der mit Magie geboren wurde. Das darf eigentlich nicht sein, denn nur Magiewesen dürfen solche Kräfte haben. Menschen sind meist zu impulsiv und streben ständig nach Macht. Magie in solchen Händen … unvorstellbar!
Die Shadun sind deshalb von Anbeginn der Zeit dafür zuständig gewesen, solche Wesen zu jagen und zu töten. Doch dann kam uns ein Schwur dazwischen; ein Pakt zwischen Mensch und Mar, sich nicht mehr gegenseitig zu töten. Als Ian geboren wurde, konnten wir ihn also nur gefangen nehmen. Ihn bei den Menschen zu lassen, war viel zu gefährlich. Er wäre eine zu mächtige Waffe gewesen.
Ich habe mich in jener Zeit viel mit ihm unterhalten und erkannte, dass von ihm kaum Gefahr ausging. Trotzdem konnten wir ihn nicht einfach laufen lassen, denn es gab jede Menge Menschenkönige, die ihn gerne in ihre Dienste gezwungen hätten.
Wir werden es nie ganz erfahren, aber der letzte Krieg brach wohl aus, weil einer jener Könige Ian zurückhaben wollte und wir ihn nicht herausrückten. Als es dann zur Schlacht kam und die Shadun den Menschen hilflos gegenüberstanden, schlug er sich auf unsere Seite. Im letzten Moment, könnte man so sagen.
Dass der zweite Wall fiel, war sein Werk: Er hat die Mauern einfach einstürzen lassen, gerade, als das Hauptheer der Menschen hindurchging. Er ließ den Süd- und den Nordturm auf den Katapulten herumspringen und jagte die Steinskulpturen hinter den Menschen her.
Das verschaffte uns genau die Zeit, um aus dem hinteren Teil der Festung zu fliehen. Die Mae hielten uns dort den Rücken frei und schossen Pfeil um Pfeil ab, um die Menschen zurückzudrängen.
Kurz vorher hatte mein Cousin Liram einen Teil unseres Volkes in eine andere Welt gebracht, weit weg von jedem Kampfgeschehen und unerreichbar für die Menschen. Er ist heute der König der Shadun und lebt immer noch in der anderen Welt. Er war es auch, der uns von dem Schwur, keine Menschen töten
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