Das Beil von Wandsbek
und die Ladeneinrichtung im Januar vorauszuzahlen war für das kommende Vierteljahr, blieb Stine eigentlich der Atem weg, als sie die Ziffern mit den Eingängen der letzten Monate verglich. Wie viele kleinbürgerliche Menschen verband sie mit einer Buchhaltungsseite wenig lebenfüllende Vorstellung. Die Zahlen, spitz oder rund, erfüllten sie mit Unbehagen, manchmal mit Anwandlungen von Angst. Gleichwohl konnte sie feststellen, daß sich die letzten drei Monate des vergangenen Jahres Aus- und Eingangdie Waage gehalten hatten. Erst bei den großen Sonderausgaben des Januar machte sich die alte, durchaus noch nicht vergessene Beklemmung fühlbar, daß so großen Abgängen kaum Einnahmen gegenüberstanden. Worauf Albert die vorhandenen Vorräte in Hammel, Schwein und Rind musterte, die sich in den kalten Monaten ja tadellos hielten, ihr auf die Schulter klopfte und zufrieden auf die Tatsache hinwies, daß sie vorläufig ja kaum etwas einzukaufen brauchten, und daß in ein paar Tagen oder Wochen, wenn’s nötig sei, wieder ein gutgelaunter Werbevers eingerückt werden könnte. Stine verschwieg ihm, daß Tom seine Ansprüche im Verlaufe der letzten Zeit gesteigert hatte, und daß es ihr recht schwerfiel, ihn in das zurückzuweisen, was die Erzähler seine »Schranken« zu nennen pflegten. Sie war froh, das unangenehme Thema von staatlichen und städtischen Abgaben fallen lassen zu können und sich angenehmeren Dingen zuzuwenden, deren ja viele in der Luft lagen, zum Beispiel der Hochzeit des Herrn Footh.
Nicht so leicht konnte sich Albert von dem Thema losreißen, das jeden Jahresanfang verschönte. Als gewissenhafter Volksgenosse und Staatsbürger hatte er sich mit dem Problem zu beschäftigen, wie und ob er den Betrag versteuern sollte, den ihm seine Axt in Fuhlsbüttel eingebracht. Ohne Zweifel mußte der Betrag in der Steuererklärung erscheinen; ob er aber einer Berufsausübung zu verdanken war oder als Nebenverdienst oder einmalige Zuwendung zu buchen sei, das hätte ihm ein Kundigerer erklären müssen als er selbst. Da er sein Amt in der Maske ausgeübt, wären Rückfragen nicht zu erwarten gewesen, wenn er diese Einnahme verschwiegen hätte. Ausgezahlt hatte sie ihm Volksgenosse Footh, dem sie seinerseits von der Justizverwaltung ersetzt wurde. Erschienen diese zweitausend Mark aber in Herrn Fooths Bilanz, so stand ihnen sicherlich auch eine Ausgabe von zweitausend Mark gegenüber, diese möglicherweise mit dem Namen Teetjen gekennzeichnet. Die Steuerbehörden schauten jetzt genau zu und verwandten Zeit und Mühe, ganz wie einst die Beamten der Republik, auf die Prüfung der Unterlagen und die gründliche Verfolgung von Zusammenhängen. Irgendwie konnte der Name Teetjen den Herren in den grünen Uniformen auffallen,haften bleiben, eine Rückfrage anregen. Welches war die billigste Art, bei dieser Steuer davonzukommen? Denn keiner brauchte mehr zu tun als seine Pflicht, besonders wenn er und sofern er diese Pflicht schon so weit übertroffen hat wie Albert Teetjen im vorigen Herbst. So hatte er einigermaßen ratlos vor der Steuererklärung gesessen. Daß sein Geschäft plötzlich zweitausend Mark mehr getragen haben sollte als im Vorjahr, hätte möglicherweise zu einer Erhöhung der Grundgebühren geführt. Andererseits war die Steuer auf Lotteriegewinne vielleicht übertrieben hoch, und bei einmaligen Einnahmen aus nichtberuflicher Tätigkeit hätten sich Nachforschungen von seiten der Behörde nicht vermeiden lassen. Mit welcher Folge? Dem lieblichen Gerede gewetzter Mäuler und spitzer Zungen. Rechtsanwalt Cohn, der seinen Vater manchmal vertreten und beraten hatte, war seit dem Boykottapril vor fünf Jahren unauffindbar geworden, und einen anderen Rechtsanwalt hatte er bisher nicht gebraucht und mochte er auch nicht aufsuchen; den Kameraden Footh aber jetzt damit zu behelligen, brachte er nicht übers Herz. So blieb ihm nichts übrig, als den Otto Lehmke um Rat zu fragen – oder sich selbst für eine der vorgezeichneten Rubriken zu entscheiden, auch wenn sie nicht die vorteilhafteste war; denn den Lehmke ins Vertrauen zu ziehen, wie er sein Geld verdient, dagegen sprach alles. Beschwindelte er ihn aber, so konnte er doch ebensogut gleich das Finanzamt beschwindeln; Lehmkes Rat blieb dann von zweifelhaftem Wert. Er ließ die Steuererklärung tagelang liegen und horchte auf dem Viehhof und bei Kollegen herum, erfragend, wie sie es anstellten. Er versuchte auch irgendeine Geschichte zu erfinden, die seine Art
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