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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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künftige Gattin als Messalina in einem langen Brokatgewand – und so gut wie nichts darunter –, dessen köstlicher Goldstoff aus einem spanischen Kloster stammen sollte. Die drei Töchter des Direktors Koldewey, einheitlich gekleidet, in hellblau, weiß und rosa, als Einäuglein, Zweiäuglein und Dreiäuglein, zugleich Gestalten aus dem drolligen deutschen Märchen und drei von Herrn Fooths Schiffen versinnbildlichend. Vater Blüthe und Herr Prokurist Ruckstuhl in roten Jagdfräcken und schwarzen Dominos darüber, feierten Wiedersehen mit ihremehemaligen Kameraden Teetjen, der sich die Tracht eines Bergknappen geborgt hatte; schwarze Uniform mit langen Hosen, ein ledernes Schurzfell unter dem Rock hervorschauend, ein schwarzes Tschako mit rotem Federbusch, eine Grubenlampe am breiten Gürtel, dessen Messingschloß die Umschrift »Glückauf« trug, und in der Hand statt der Beilpicke eine Wünschelrute. So kam er, sagte er, aus dem Innern der Erde heraufgestiegen, um seinem Freunde Footh und der jungen Frau, die nicht umsonst Blüthe hieß, Glück und Segen zu wünschen, ja zu verbürgen. Die eigentliche Blüte des Abends aber, darüber herrschte nur eine Meinung, stellte Frau Stine Teetjen dar als Lorelei mit offenem Rotgoldhaar und goldenem Kamme. Eigentlich hatte sie ein weißes Kleid dazu anziehen wollen, weil sie von ihrer Hochzeit her es noch besaß. Aber Albert, von seinem verflossenen Frack mit der Einrichtung der Verleihinstitute wohl vertraut, hatte sie zu seiner damaligen Lieferantin mitgenommen, und die behäbige Frau, einst Garderobiere eines Theatervereins, bei dessen Auflösung sie aus dem Fundus den Grundstock ihrer Kostüme erwarb, hatte zu Stines Wünschen den Kopf geschüttelt. »Warum denn nicht Lorelei – mit den hübschen Haaren? Aber dann Schillertaft, Frauchen, nilgrün oder schilfgrün, und einen hauchzarten Schleier aus Seidentüll. Drin hängt’s, und wir können es ja wohl gleich probieren. Und ein Diadem aus Straß oder eine Korallenkette, wenn Sie das vorziehen. Ganz Wassernixe oder Meerjungfrau.« Aber als sie in ihrem Garderobenzimmer die Kundin so verkleidet hatte, schlug sie selber die Hände staunend zusammen, was aus der kleinen Bürgerfrau geworden war; wie sich die Schultern aus dem großen Ausschnitt hoben, und wie bedauerlich es war, daß sich die Hände ... tja, verarbeitete Hände passen nicht zur Lorelei. Aber dafür gab es ja lange Glacéhandschuhe. Stine sah sich in dem großen Spiegel von einer grellen, unbeschirmten Birne beleuchtet und wurde rot. Eigentlich durfte man so nicht aussehen. Die Augen hatten ja einen lila Glanz, und was für Schuhe sollte sie wohl zu solch einem Gewand anziehen? Aber Frau Kaltmann half ihr auch da. Es würde sich für ihren Fuß schon ein ganz passender Tanzschuh finden, wenn sie es nicht vorzog, sich ein Paar zu kaufen, denn eine Frauwie sie ... Aber Stine schüttelte lachend den Kopf, bloß um als Wasserleiche die Elbe hinunterzutreiben, neue Schuhe? Nee, liebe Frau, diesmal tun’s auch geborgte. Albert aber, voll Staunen und Stolz über die Verwandlung seiner Stine, war sofort bereit, ihr ein Paar neue Schuhe zu kaufen, mußte von ihr ernsthaft zurechtgewiesen werden und erlegte ohne Zögern den Preis für ihr und sein Kostüm, den Frau Kaltmann forderte. Wahrscheinlich, dachte Stine, geht da der ganze Profit hin an den Lieferungen für Fooths. Aber nun mag das mal.
    Ja, einen Abend wie diesen hatten Teetjens sich nie vorgestellt und bestimmt nie erlebt. Der Lautsprecher holte Musik von allen Stationen des Kontinents zusammen. In der Halle des Hauses Harvestehuder Weg brannten mehr Lampen als je, und Frau Stine tanzte – tanzte mit Männern, die sie nie gesehen und die sich ihr alle vorstellten, schweren Kapitänen von Herrn Fooths Schiffen, leichten Angestellten aus seinem Büro, Kameraden vom Autofahren (NSKK.), auch mit Damen tanzte sie, weil einige darauf bestanden. Thyra zum Beispiel, Herrn Koldeweys zweite, verliebte sich geradezu in sie, ein so wunderbares friesisches Gewächs sei ihr, sagte sie, kaum je begegnet, und Stine fühlte einen ungekannten Durst: mitnehmen, alles mitnehmen. Soviel Leben war in ihr und glänzte jetzt um sie, daß die Leute den Albert beneideten, wenn der dort von seinem Tisch mit den Herren aufstand und zu ihr herüberkam; ein bißchen zu sehr nach Alkohol roch er, denn auch er ließ sich’s wohl sein. Ja, das war der Glanz des Dritten Reiches, dachte Herr Footh, wenn er sich auf der Estrade oben

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