Das Beil von Wandsbek
jetzt kannte er niemanden, den er hätte fragen mögen. Wie beispielsweise Steinkohle in die Erde kam und wie Petroleum. Ob wirklich die ganze Erde aus Eisen war, weil sie doch nach allgemeinem Dafürhalten ein Magnet sein sollte, woraus sich beispielsweise der Kompaß erklärte, mit dem schon der olle Kolumbus nachWesten gesegelt war. Wie die Leute drauf gekommen, daß die Erde eine Kugel sein sollte, an den Polen abgeflacht, wogegen doch aller Augenschein zeugte. Und ob man nun denken mußte, daß dort unten, wo der Professor nicht hinkommen würde, ein magnetischer Eisenkern sei oder ein Zentralfeuer, wie er es mal während des vergangenen Krieges in einem populären Sammelwerk abgebildet gefunden. Natürlich war er weit weg von der Erwartung, die ihm damals ein katholischer Kamerad aus dem Fuldaischen vorgetragen, das wisse doch jeder, daß im Innern der Erde die Hölle sei, ein feuriger Herd, so groß wie ganz Hamburg und so hohl wie ein Backofen. Darin taten die Teufel Dienst, wie die Kommandierten in einer Entlausungsanstalt, bloß daß statt der Kleider die Seelen gereinigt würden und statt der Läuse die Sünden verbrannt. »Und wenn deine geistlichen Papiere in Ordnung sind, hast du Schwein und kommst schnell durch, wie wenn du einen Entlausungsschein vom Garnisonsarzt vorweisest. Und wenn nicht, mußt du da drin schmoren, noch und noch, wenn deine Angehörigen dir nicht mit Seelenmessen und Fürbitten bei deinem Schutzheiligen zu Hilfe kommen. Und das, was ich hier sage, das gilt nur vom Fegefeuer, Kamerad. Aus der eigentlichen Hölle – Mensch, da ist nichts zu machen.« Über all dies katholische Theater hatte sich Albert sehr amüsiert, und daß ein Dichter namens Dante in dieser Hölle gewesen sein wollte, das konnten die Pfaffen vielleicht den Italienern einreden, ihm nicht. An ein Leben nach dem Tode glaubte er nicht, hätte bannig überfüllt sein müssen, das Jenseits, wenn da all die tausend Generationen Volksgenossen herumgesessen und mit den Zähnen geklappert und Halleluja gesungen. Seine Stine dachte anders darüber, nun, Weib blieb Weib, die wollten immer was fürs Gemüt. Einem Schlächtermeister war es schwer, vom Leben nach dem Tode zu reden, und einem Soldaten ebenso. »Lebe, wie du, wenn du stirbst, wünschen wirst gelebt zu haben« hatte ihm der Hauptlehrer bei der Schulentlassung auf seinen Weg mitgegeben. Wie das sein sollte, stand wahrscheinlich auf einem anderen Blatt. Nein, da hielt er sich lieber an den Spruch »Tue recht und scheue niemand« und steh im übrigen fest auf deinen Beinen, lerne deine Sache und laß dich von niemandem hinters Licht führen. Mehr als ein Lebenkonnte niemand beanspruchen, und das himmlische Reich, in welchem die Seele zu Hause sein sollte, im Gegensatz zum Körper, das hatte noch keiner besucht. Nein, ihm gefiel es auf Erden, und gar das Innere dieser großen Heimatsstation heimelte ihn an. So wie es der Jules Verne schilderte, war es ja noch ein bißchen wild; er hätte es sich besser zementiert gedacht, mit Fahrstühlen, Röhren und Kabeln, so wie man’s sah, wenn die Wandsbeker Chaussee mal aufgerissen wurde. Und daß er imstande sein könnte und es wirklich war, unterirdische Wasserläufe oder Erzlager aufzuspüren, das schien ihm nur in Ordnung. Der Dr. Laberdan hatte von radioaktiven Strahlen gesprochen, die von solchen Ansammlungen ausgingen, und daß erwiesenermaßen Blitze mit Vorliebe in solche Strahlungsstellen einschlugen. Und der Vorsitzende, der ehemalige Heilkünstler, hatte das mit der negativen Erdelektrizität in Verbindung gebracht, wozu Dr. Laberdan die Nase kraus gezogen. Nun, hol’s der Teufel, das Geschäft ging jetzt still, es ließ ihm Zeit, wenn erst Schnee lag, im Wandsbeker Stadtpark mit der Rute die Versuche fortzusetzen, die er in Fuhlsbüttel begonnen.
Stine ihrerseits neigte nicht zu Streitereien in Glaubenssachen. Vor der Hölle hatte sie keinerlei Angst – die zu beseitigen, hatte sich Christus kreuzigen lassen. Tod, wo ist dein Stachel, Hölle, wo ist dein Sieg. Auch über das dachte sie nicht nach, was mit dem Menschen nach dem Tode vor sich gehen mochte. Irgendwie war’s ihr so, als hätten die Menschen etwas mit den Gewächsen zu tun, die man auf ihre Gräber pflanzte. Wozu denn sonst verband man Tod und Sterben immer mit Blühen und Vergehen, mit Kränzen und Blumentöpfen? Und wenn im Frühling die ganze Natur wieder erwachte, war es da nicht Unfug, wie Albert zu glauben, ein Wesen wie der Mensch könne
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