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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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Nebenverdienst mit dem Werkzeug des Berufes möglichst nahekam, aber es fiel ihm nichts ein. Dann eines Abends, als er seinen Roman zu Ende gelesen und die Helden auf ihrer Floßreise und Ausfahrt aus dem Vulkan Stromboli begleitet hatte, faßte er doch einen Entschluß, zog sich nochmals Kragen und Jacke an, nahm die neue Lederjoppe vom Nagel, die er sich zu Weihnachten geschenkt. Stine hatte von ihm an dem gleichen Heiligen Abend einen schwarzen Regenmantel aus bestem Wachstuch erhalten mit vernickelten Schließen statt der Knöpfe, den man ohne weiteres für einenGummimantel ansprechen konnte. Aus dem Kleiderhaus der Brüder Köppler, das sich als Familiengeschäft einer gewissen Beliebtheit in bürgerlichen Kreisen erfreute, weil vier Brüder, Siegfried, Artur, Hugo und Louis, in gemeinsamer Arbeit ihre Firma aufgebaut und hochgebracht hatten – vier jüdische Männer, einander sehr ähnlich, mit gemütlichen Bäuchen und fixen Hamburger Redensarten, in unverfälschtem Missingsch oder Messingsch, womit die aus Platt und Hochdeutsch gemischte Sprechweise der Stadt einer Metallegierung aus Kupfer und Zink nicht übel verglichen wird. Daß drei von diesen Brüdern ein unseliges Ende nehmen würden, allerdings erst drei Monate nach Albert Teetjen, stand damals schon in den Sternen.
    Als Albert aber hinüberkam, siehe, da war bei Lehmke niemand zu sprechen. Das neue Schild »Zum tapferen Panzer« war angebracht und das ganze Lokal neu hergerichtet worden – Anstriche des Holzwerks und die Beizung der Tische und Stühle aufgefrischt, die Tapete mit Brot abgerieben und einige Dielen ausgebessert worden, wie Dörte dem Nachbarn mit stolzer Handbewegung darwies. Die Eltern aber waren verreist, auf Erholung bei Verwandten am Steinhuder Meer – einem großen Binnensee im Hannoverischen; sie würden erst in vier, fünf Tagen zurück sein. Ja, Herr Teetjen hatte sich lange nicht gezeigt und Frau Stine es ihm offenbar nicht berichtet. Aber dann würde der Betrieb erst wieder losgehen; Albert würde Augen machen. Der sah sich staunend um, nickte dann und gratulierte. Er würde eben wiederkommen. Offenbar hatten Lehmkes das Jahr über einen guten Schnitt gemacht; aber so behaglich wie früher würde es sich hier kaum mehr sitzen. Nun, da ging er eben wieder nach Haus und würde sich schon selbst mit seiner Steuererklärung zurechtfinden müssen. Das letztere sagte er der Dörte nicht, aber er faßte seinen Entschluß, freute sich der frischen Nachtluft, der lautlos daliegenden Straßen und stapfte heim. Am Steinhuder Meer gab es jetzt sicher frischen Frost, viel Schnee und wahrscheinlich Eis zum Schlittenfahren. Dann mußte er die zweitausend Mark eben als Lotteriegewinn verbuchen oder als Erbschaft, was billiger kam. Den Footh befragen danach? Wollen mal sehen.
    In der Tat rief er am anderen Morgen vom Postamt aus in Fooths Büro an und wurde von Fräulein Petersen gleichsam mit einer Umarmung begrüßt. »Ach, Herr Teetjen, einen Schlächtermeister haben wir gerade gebraucht. Soll ich mal schnell vorbeikommen oder haben Sie ohnehin am Hafen zu tun? Es handelt sich doch um Hochzeit, Herr Teetjen, um kaltes Büffet und Fleisch zum Polterabend. Wer soll uns das denn liefern, wenn nicht Sie?«
    Und wirklich stopfte die Foothsche Hochzeit jedes Loch im Budget, das Steuer und Miete zunächst gerissen hatten. In kommenden Monaten sagte sich Albert, diese Bestellung sei nicht zum Heil gewesen, sie habe ihn über den Ernst der Lage hinweggetäuscht, solange noch Zeit genug für Hüh und Hott gewesen sei. So aber verließ er sich leichtsinnigerweise darauf, daß ihm schon immer etwas Hilfreiches zustoßen werde, auch als die Sache schon sehr schief saß. Ein Mann, der an die Wünschelrute und an sein Glück glaubt, dachte Stine später, solch einer braucht sich nicht zu wundern, wenn bei ihm mal Matthäi am letzten ist.
    Vorläufig aber gab es Hochzeit, einen Fasching und Karneval nach Fräulein Blüthes Wünschen und rheinländischem, allerdings auf hamburgisch nachgeahmtem Geschmack. Die Hochzeit selber, Gott ja, die mußte wohl steif und feierlich begangen werden, das wollte das Ansehen der Firma und der Familie Footh, obwohl es die in der vorigen Generation noch kaum gegeben hatte. Der Polterabend aber, der sollte es wieder hereinbringen, und das tat er auch. Ein Kostümfest wurde losgelassen, von dem man in Harvestehude mit hochgezogenen Augenbrauen und ernstem Kopfnicken berichtete. Reeder Footh als römischer Cäsar und seine

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