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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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Und auch er selber würde aufsteigen. Mit Anneliese BlüthesHilfe. Ihm fehlte nur ein Zeichen, ob alles recht ging. Ob wir ohne Krieg in Prag einrücken würden. Dann konnte er seine lumpigen brasilianischen Kaffeeaktien verkaufen und sofort Anweisung geben, im ganzen in die Äuglein-Reederei einzusteigen, ja noch tausend Mark Schulden bei seiner Bank zu machen. Schluckte Krupp den Footh, so waren diese Schulden im gleichen Augenblick getilgt. Kam es aber zum Kriege, so stand Brasilien natürlich haushoch im Kurse. Er konnte noch jetzt zum Hauptbahnhof fahren, im Wartesaal einen Kaffee trinken, einen Brief an die Bank verfassen, dann zu Gebrüder Lahusen hinuntertraben und den Brief eigenhändig in den Postschlitz stecken. Dann war der Würfel gefallen und alles oder nichts gespielt. Da stand der schlanke, blonde Mensch mit dem gutgeschnittenen Gesicht, dem schmalen Mund, der leicht gebogenen Nase, die Hand am Laternenpfahl der Haltestelle, und blickte fragend in die Sterne. Und siehe da, der Himmel winkte. Blendend, ein langer, geschwungener Faden Lichts zog die Sternschnuppe durch die Atmosphäre von links nach rechts, günstig, günstig.
    Hauptbahnhof, sagte Klaas Vierkant zum Schaffner und zahlte den Groschen.
    Ja, so vergingen bei Teetjens die frühen Teile der Nacht, und für die späteren mußten gelegentlich die weißen Pillen von Frau Plaut herhalten, wenn sich der Schlaf, der lebenerhaltende Bruder des Todes, nicht einstellen wollte. Hätten Teetjens freilich Frau Dr. Neumeier deswegen befragt, sie hätte sie lächelnd gemustert und gefunden: »Damit bezahlen Sie Ihre schöne Sommerbräune, meine Lieben.« Des Tages nämlich führten die beiden ein Ferienleben oder, wie Albert bitter anmerkte, das zu ihrem Einkommen passende Luxusdasein. An ihrer Fensterscheibe befestigten sie mittels eines Gummisaugers ein unauffälliges Schildchen »Wegen Geschäftsverlegung geschlossen«. Nach Finkenwärder, ihrem alten Badestrand, auszufliegen, verbot sich, seit die Fachleute der Elbhochbrücke die ganze Insel mit Bohrlöchern, Ausschachtungen, Baugruben, Bretterzäunen durchsetzt hatten. So fuhren sie denn zwei- bis dreimal in diesen Wochen nach Blankenese, entweder mit der Vorortbahn oder den kleinen grünen Raddampfern, von den Landungsbrücken aus, und lagen draußen inSonne und Sand und badeten die erschöpften Glieder. An gewissen Stellen der Elbe, wo das gelbbraune Wasser just nicht von Öl und schmutzigem Schaum überzogen war. Den Fahrpreis, der für sie beide hin und zurück über eine Mark betragen hätte, bestritten sie aus Stines »Kleidchenfonds«, und dadurch, daß sie bis zum Dammtorbahnhof und zurück den Lieferwagen benutzten. Den Ort mit seinen Villen und großen Gärten mieden sie, und wenn sie an den vielen Gaststätten vorüberkamen, die sich dort auch für bescheidene Börsen ausbreiteten, beschleunigten sie ihre Schritte. Außerhalb des Ortes, nahe am Strandweg, zwischen Weidenbüschen, schlugen sie ihr Lager auf, tranken mitgebrachten Malzkaffee, ungesüßt aus Seltersflaschen, verzehrten kalte Kartoffeln, Schmalzbrot und Stücke ihrer Schlackwurst und sprachen von vergangenen Zeiten, in denen sie am Sonntag ihre lichtdurstigen Körper ins Freie getragen hatten, damals noch nach Finkenwärder, wo Tausende jüngerer und älterer Menschen das gleiche taten, Luft und Strand mit lustigem Betrieb füllend. Jetzt, kamen sie überein, würde solcher Massenbetrieb über ihre Kräfte gehen. Damals aber machte es Spaß – Stine in einem grünen Badeanzug, ihrer weißen, schwer bräunenden Haut, ihrem goldroten Haarknoten unter der Wachstuchhaube. Das war die Zeit, in der Hermann Teetjen noch lebte und die Schlächterei auf seinen stämmigen Schultern trug, vor dem Krieg und unmittelbar nach ihm, als Albert und Stine gerade anfingen, miteinander Bekanntschaft zu schließen. Solche Scharen junger Menschen, gebräunter Arme und Beine, Schultern und Rücken, von denen dann so viele in den Krieg hineingeschoben wurden, in Stücke geschossen, durchlöchert oder durch Streifschüsse gezeichnet. Zu Zeiten des Vaters trank man manchmal Kaffee in Blankenese. Damals ging das Geschäft. Er schimpfte zwar immer über die schwere Arbeit, und daß er nur darauf lauere, von Albert abgelöst zu werden, sich zur Ruhe zu setzen. In Wirklichkeit aber starb er in den Sielen, wie man es nannte, ohne beträchtlich krank gewesen zu sein, am Herzschlag. Morgens hatte er noch den Laden geöffnet, sich aber schon schlecht

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