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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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wahr, dann dem Lehrer und dem Herrn Pastor und den Schulkameraden, der Klassenhorde. Und dann dem Unteroffizier, dem Herrn Kompanieführer, dem Bataillon, dem Regiment. Und dann den Rednern in den Versammlungen. Einer nach dem andern.« – »Warst eben immer ein braver Kerl, Albert«, besänftigte Stine seine Selbstvorwürfe, die sie deutlich heraushörte. »Hm«, machte er. »Und wozu war ich ein braver Kerl, wenn’s uns in solch ’ne Sandgrube führt oder ’ne Zementkiste, aus der kein Herauskommen ist? Warum sind die Timmes anders aufgewachsen, auf dem ganz andern Weg?« – »Hat sie’s nicht in die Sandkiste geführt, wie du’s nennst?« – »Aber durch meine Hand«, antwortete Albert dumpf. »Durch deine oder eine andere«, beharrte Stine, indem sie sie streichelte, diese angeklagte Hand. »Wäre der Mann aus Magdeburg nicht krank geworden ...« – »Durch meine oder ’ne andere«, wiederholte Albert nachdenklich. »Wenn sich aber keine gefunden hätte? Um die Frau Timme, da kümmern sich Leute. Konnte sich durchbringen bisher, und jetzt wartet sie in Norwegen und kann weiter nach Rußland, sagtest du, nicht? Und wer steht hinter uns?« Und er wandte seinen Kopf, um hinter den Baum zu schauen, ob da jemand stünde, der ihm zuraschelte: »Gib’s auf!« – »Der liebe Gott«, flüsterte Stine, »unser Herr Jesus«, und sie schmiegte sich auf seine Knie, umhalste ihn, preßte ihn an sich. »Der verläßt uns nicht.« Wenn’s dich man tröstet, dachte er. Und nach einer längeren Pause, während sie aufstanden: »Ich kuschelte mich ja lieber als blinder Passagier im Innern der Erde irgendwo ein, als da oben in dem zugigen Himmel.« Eleonora Kröger, fühlte er sehnsüchtig. Erst mal weg. Später Stine nachkommen lassen, schreiben.
    Hätten sie noch etwas gewartet, so wäre ihnen eine einsame, aber sehr helle Sternschnuppe zuteil geworden, die den schwarz gewordenen Himmel durchschnitt. So aber gewahrte sie nur Klaas Vierkant, als er Lehmkes Panzerschenke verließ, sehr mit sich zufrieden. Er hatte manches ausgerichtet in der Zwischenzeit, vor allem mit Frau Footh einen noch freundlicheren Kontakthergestellt, der sie darum so angenehm berührte, weil er sie nicht als Frau ansprach, sondern als Zeitgenossin, Gesinnungsgenossin, ohne vor dem Charme ihres Wesens stumpf zu bleiben. Klaas Vierkant achtete betont die Gattin seines Wirtschaftsführers, aber er wünschte von der so geschickt geführten Wirtschaft auch seinerseits was abzuschöpfen, und war ehrlich genug, Anneliesen gegenüber das nicht zu verschweigen. »Was ist ein armer Schriftsteller, ein Strohhalm im Winde. Freie Gedanken und Überzeugungen wachsen zumeist auf der Basis einer gefüllten Brieftasche. Charakter zeigen kann nur, wer fürs nächste halbe Jahr ausgesorgt hat. Und zum Don Quichote haben kaum Emigranten Talent, denen nichts anderes übrig bleibt.« Anneliese Footh geborene Blüthe entzückten solche Aussprüche – sie war lang genug in abhängiger Stellung gewesen, sagte sie, um das nicht übelzunehmen. Wenn die Fusion mit Krupp zustande kam, so hatte Klaas Vierkant daran ein gerütteltes Maß Verdienst. Es war nur billig, wenn er auch daran verdiente. Sie würde ihren Mann deswegen sondieren. War sonst aber auch bereit, mit dem Prokuristen Ruckstuhl deswegen zu reden, in dessen wohlverstandenem Interesse das Geschäft ja auch zustande kommen sollte. Aus Dankbarkeit wollte Vierkant auch dafür sorgen, daß die Sache Teetjen liquidiert wurde, wie man neuerdings sagte, drolligerweise nach russischem Vorbild. Er hatte also heute abend seine Abhörstelle für Auslandsnachrichten zu Lehmkes verlegt, einige Angelegenheiten des Sturmes Preester dabei wahrnehmend. Lehmkes gegenüber hatte er in einer Pause zwischen Londoner Mittel- und Moskauer Langwelle in Sachen des Kameraden Teetjen zugewinkt, der gute Junge müsse wieder einmal zu seinem Glück gezwungen werden. Einen unhaltbaren Laden aufgeben, eine Wohnung räumen müssen und für längere Zwischenzeit auf dem Lande verschwinden, das stellte doch kein Unglück dar, nicht wahr? Wer ihn daran verhinderte, Sturmführer Footh auf die Nerven zu fallen, erwies ihm einen Dienst, auch wenn er das erst später einsah. Man behielt ihn im Gedächtnis (z. b. V., zur besonderen Verwendung) und holte ihn im geeigneten Moment schon wieder aus der Versenkung. Da man aber manchen Leuten recht deutlich winken mußte, damit sie verstünden, brauchteLehmke von seinem Schuldschein nichts abzustreichen

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