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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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Formen annimmt.« – Und er holte eine neue Zigarette aus dem silbernen Etui. Auch Käte Neumeier bediente sich noch einmal. Sie spürte wieder das triumphierende Gefühl von vorhin, mit welchem ein Beobachter ein gefährliches Raubtier auf falscher Fährte sieht; im ganzen aber fühlte sie sich dem Erfolgnicht näher. Es schien ihr geratener, abzuwarten, ihm das erste Wort zu lassen. »Amerika, du hast es besser«, zitierte er denn auch, »du hast zehn Prozent mehr Öl, als du brauchst und konsumierst, mehr davon als zwei Drittel der übrigen Welt. Da unsere Reservoire noch nicht voll sind, müssen wir jede Mißstimmung vermeiden; außerdem brauchen wir dein Helium für unsere Luftschiffe, unsere einzige Brücke nach deinem südlichen Bruderkontinent. Werden also gut daran tun, diese Hinrichtung geheim zu halten.« – »Wie erreicht sie aber dann ihr Ziel bei den Hamburger Arbeitern?« fragte sie sanft. »Sie verstehen mich hoffentlich nicht miß, lieber Otto. Wir ziehen an dem gleichen Strang, nur fürchte ich, ihr faßt ihn zu kurz an.« –
    Der Oberstleutnant zerbrach seine Gerte und warf ihre Stücke über die Schulter in den grünen Rasenstreifen, vor dessen eiserner Einfassung sie saßen. »Unser Führer ist ein großer Künstler«, sagte er dann, »er spielt auf zwei Klavieren, einem lauten und einem leisen. In Wirklichkeit bearbeitet er aber nur das laute. Das leise nehmen wir ihm ab. Hören Sie nur zu, wie man heute in Nürnberg gegen die Sowjets paukt. Unser leises Piano aber winkt hinüber, und die Russen hören und verstehen: ist ja alles halb so schlimm. Genau so musizieren wir mit Amerika und England. Wer weise, wählt Wolle, rieten früher die Inserate. Noch umgibt uns eine gemeinsame Front. Aber Adolf wittert ihre Sprünge. Er wird sein Brecheisen ebenso genial einsetzen, wie dunnemals anläßlich der deutschen Republik – und nicht mal wissen, daß er, er selber, unser Brecheisen ist. Wir ziehen uns langsam unsere Kriegsstiebeln an, wie Napolium im Lied vom Emser Kränchen-Brunnen. ›Als Napolium dies vernommen, ließ er gleich die Stiebeln kommen, die vordem sein Onkel trug‹«, sang er vor sich hin und wurde wieder guter Laune. »Inzwischen latschen Angelsachsen in Hausschuhen herum, weil wir ihnen egalweg bedeuten, unsere eiserne Fußbekleidung erspare ihnen den Straßenschuh, sie brauchten bei dem schlechten europäischen Wetter, das sich von Osten her vorbereite, keinen Fuß aufs Pflaster zu setzen, dazu seien ja wir da. Wie gesagt, Klavier zu vier Händen. Die Stimmführung etwas schwierig, aber wer Ohren hat, der höre.« – Käte Neumeier wurde kalt. »Wir wollen also wirklichKrieg führen?« fragte sie, »wir haben viel zu wenig Ärzte.« – »Gewiß«, stimmte er zu, »die jüdischen Kollegen fehlen. Aber wir werden uns Ersatz holen, aus Österreich zunächst, und außerdem wollen wir keinen Krieg führen. Wir wollen den Frieden führen. Alles, was wir brauchen, einzuheimsen, ohne einen Schuß, das traut Adolf sich zu. Die Voraussetzung bleibt natürlich, daß wir, wenn Not am Mann ist, schießen können. Um nochmals einen alten Ladenhüter zu zitieren: Si vis pacem, para bellum. Na, und die Parabellumpistole, die hätten wir ja schon. Fehlen uns nur noch die großen Kaliber, das unentbehrliche Kleingeld in Tanks und ein paar tausend von den Brummkäferchen da oben.« Und er wies mit dem Daumen gen Himmel, ein Flugzeug kreuzte hoch über ihren Scheiteln auf den Flughafen Fuhlsbüttel zu. »Hat unser Kopfjäger Göring doch großartig gemacht. Und wie er es fertig kriegt, den englischen Kollegen in Silberpapier zu wickeln, dafür möcht man ihm das Patschhändchen küssen.« –
    Von einigen Turmuhren schlug es zwei, der Glockenklang vermischte sich harmonisch mit dem Orgelton der Propeller. »Hab ich recht verstanden«, fragte Käte Neumeier, »geht’s endlich gegen Österreich los?« – »Nichts geht los, Kätchen«, antwortete er, »Adolf und seine Leute wiederholen den Eröffnungszug Rheinlandbesetzung mit einem zweiten Bauern, Herr Schuschnigg wird sich in sein Schicksal ergeben, der Anschluß vollzogen sein, noch ehe jemand piep sagt, und das Gerechtigkeitsgefühl der Angelsachsen wieder einmal befriedigt – vorausgesetzt, daß es sie nichts kostet. Passen Sie auf, so kommt’s. Dann gucken wir über den Brenner, wollen Schiffchen schwimmen lassen in Triest, und Onkel Benito stellt sich auf die Zehenspitzen und wird unser Freund. Er wittert schon, wer wirklich bei uns erste

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