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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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Plan parat.
    Der feldgraue Dienstwagen der Sechsundsiebziger bremstepünktlich vor der Haustür, in welcher Käte Neumeier genau so präzis stand, ein paar Stufen über der Straße, Ausschau haltend. Der Oberstleutnant sprang selbst aus dem Schlag und half ihr hinein, entzückt, wie er sagte, so schnell eine Anknüpfung an frühere Tage gefunden zu haben. Denn er und seine Frau hatten aufrichtig bedauert, daß mit Karl Augusts Abreise die Beziehungen zwischen ihnen eingeschlafen schienen oder waren. Er setzte sie in den Anlagen ab, fuhr dann in die ehemalige Husarenkaserne zurück, in welcher er knapp zehn Minuten zu tun hatte, und konnte sich dann eine reichliche halbe Stunde lang ihrer Gesellschaft freuen. Hier standen Nußbäume und Linden, es gab bequeme Bänke, für die die Republik so viel Sinn bewiesen – und je weniger er jetzt palaverte, um so früher war er wieder zurück, neugierig, was sie von ihm begehrte. Denn jeder schließlich wollte doch was von jedem. »Ich nicht«, lachte Käte Neumeier, »ich will Ihnen was bringen.« – Der Oberstleutnant dankte schon im voraus, küßte ihr die Hand, legte die seine an die Mütze, verschwand. Käte Neumeier indes lehnte sich in die mittels quergestellter Holzstäbe dem menschlichen Rücken geschickt angepaßte, weiß gestrichene Bank und beschloß, nicht an das zu denken, was sie jetzt zu sagen hatte und wovon so viel abhing. Frische, Intuition, Einfühlung in den Gegner; nichts war so falsch wie das Vorausklügeln, was einer sagen und wie man seinen Schmus parieren werde. Sieh lieber den Krähen zu, die dort in großen Flügen vor den Wolken manövrieren; wie schwarze Schleierfetzen gleiten sie durch die Luft, als wollten sie es dem Altweibersommer nachtun, den Spinnenfäden, die über die Allee segelten. Mit der Frage, ob das wohl wirklich Krähen sein konnten, die die Heide verließen, oder Schwärme von Staren, die sich auf den Winterzug vorbereiteten, verbrachte sie die Wartezeit, fast ohne sie zu bemerken. Ein Vers des Dichters Gottfried Benn klang dabei in ihrem Herzen mit – ein schöner Vers:
    »Und wie die Möwen winters zu den süßen
    Gewässern flüchten, also: heimgekehrt.«
    »In ’ner halben Stunde, Ehlers«, sagte der Oberstleutnant, als der schwere Wagen fast lautlos anglitt, setzte sich neben Käte, bot ihreine Zigarette an, schnippte mit dem Feuerzeug – mehrere Male vergeblich – und sagte dann unvermittelt: »Na, schieß los.« – Er hatte ein blondes, rosiges Gesicht, einen besonders kleinen Mund mit einem modisch kurzen Bärtchen und sah wie eine abgeschwächte und gescheitelte Ausgabe seines Bruders aus, der immer viel männlicher gewirkt. Einen so direkten Angriff auf eine Frau hätte der sich nie geleistet. Käte Neumeier blies ihren Mundvoll Rauch langsam durch die Lippen: »Ich bin Patronin in Fuhlsbüttel. Dort sollen Gnadengesuche eingereicht werden im Reeperbahnprozeß, und Herr Koldewey riet mir, mich an Sie zu wenden. Was ihr freilich damit zu tun haben könntet, kann ich mir nicht vorstellen, falls nicht das Faktum ins Gewicht fällt, daß einer der Angeklagten bei euch gedient hat und, glaub ich, zweimal verwundet worden ist. Ein gewisser Timme.« – »Kleine Kommunistin«, spaßte der Oberstleutnant behaglich, »Rückfall in die Vorzeit?« – »Klar«, parierte sie, »was anderes kann ich im Sinne haben! Aber jetzt mal Ernst. Nehmen Sie wirklich Einfluß auf diese Sache? Hat es Sinn, dem verurteilten Mengers Hoffnung auf ein Gnadengesuch zu machen? Keineswegs möchte ich Erwartungen erregen, die sich dann nur trügerisch erweisen. Mengers war ein gebildeter Buchhändler, der mir manches liebe Mal ein Buch empfohlen hat und kaum je eine Niete. Ich möchte ihm nützen, nicht ihn quälen.« – »Dann lassen Sie Ihre charmanten Finger davon, Käte. Sie sagten mit Recht: dieser Mengers war. Daß der Schlußakt so lange verschoben wurde, ist gewiß ein Skandal, aber nun soll ja Abhilfe geschafft worden sein, in zwölfter Stunde.« – Käte Neumeier nickte zustimmend. Woher nur der kluge Herr Koldewey wußte, wo Bartel den Most herholt! »Ja, Koldewey hinterläßt einen besseren Eindruck«, sagte der Oberstleutnant, »als ein Major der Landwehr sonst tut. Seine Augen erinnern mich an die Elefanten in Stellingen. Sind Dickhäuter wie wir. Haben fünfzehn Jahre gewartet, bis wir wieder zu verstehen gaben, wer hier eigentlich Herr im Hause sei. Aber nun merken es selbst die Nilpferde und die Hamburger.« – Und er lachte

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