Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
Vom Netzwerk:
immer beherrscht und unauffällig blieb, gleichweit entfernt von Stumpfheit und überschwenglichen Ausbrüchen, dafür hatte schon die Erziehung von Mutter und Großmutter her gesorgt. Nein, Stine war nicht laut, aber das Glück über junge Gazellen, die sie am liebsten durch den Zaun gestreichelt hätte, und über die monströsen Schnurrbärte der Walrosse und Seelöwen machte ihre Augen leuchten, öffnete ihre Lippen, beschwingte ihre Schritte. Albert seinerseits hielt es mehr mit den Eisbären, die, unermüdlich Köpfe und Hälse wiegend, den kleinen, felsigen Raum durchmaßen, der von künstlichen Lavablöcken ummauert wurde. Warf ihnen jemand einen Fisch ins Wasser zu ihren Füßen, so glitt eine weißbepelzte Bärin voll geschmeidiger Wucht in die schwarze Flut und brachte die Beute ihrem Jungen, das sich begeistert auf den Hinterfüßen erhob, die feine Schnauze aufriß, heftig grunzend danach verlangte. Ihm, Albert, gefiel besonders der alte Bär, ein Riese, schwer und lautlos,der mit hurtigen Blicken aus den schmalen Augen die Szene streifte, sich dann der Länge nach an den Felsen aufrichtete, seine mächtigen Pranken und Krallen enthüllend. Dem bloß mit einer Axt entgegenzutreten oder mit einer Lanze, wie die Eskimos dort oben, würde er niemandem geraten haben. Daselbst sollte ja die Urheimat unserer Rasse sein, der nordischen Kultur, die von den Juden und ihrer Wissenschaft immer beiseite geschoben und vom dummen Michel infolgedessen nie so recht gekannt worden war. Im Kampf mit solchen Bestien waren unsere Väter, die Wikinge und Runenschreiber, in vergangenen Zeiten zu Herren der Welt aufgerückt, wie Kamerad Vierkant in einem Vortrag einmal dargelegt. Mit ihren Schiffen waren sie lange vor den Ägyptern, Griechen und Römern durch alle Meere gezogen und hatten Steinringe errichtet, sogenannte Trojaburgen, und das Hakenkreuz als Feuerbohrer erfunden, denn damals bohrte man Feuer mittels zweierlei Hölzer, eines harten und eines weichen. Ja, belehrte Albert seine Stine im Weitergehen, die Kultur ging immer vom Norden aus und das sogenannte Paradies konnte recht gut in Mecklenburg gelegen haben, wie schon lange der gelehrte Herr von Wendriner vermutete. Damals freilich wurde er ausgelacht, aber das war das Schicksal aller Vorläufer hienieden. Wie war es denn mit der Wünschelrute gegangen, über die heute abend ein Dr. Laberdan, Arzt in Fuhlsbüttel, einen sehr empfohlenen Vortrag halten würde? Hatten nicht die gelehrten Herren sich darüber lustig gemacht, bis uns die Wünschelrute und nichts anderes, im Feldzug gegen die Hereros in Deutsch-Südwest-Afrika den Sieg gebracht, Wasserläufe nämlich aufspürend, von denen niemand vorher eine Ahnung gehabt habe? Wer in die Erde gucken könnte, die Geheimnisse erschließen, die sie neidisch verbarg, der wäre Alberts Mann geworden! Da unten lagen Schätze, zogen sich Erzgänge hin, Kohlenfelder, allerlei Salze – Meere von Petroleum, die uns den Sieg in jeder künftigen Schlacht verbürgten. Walrosse, Steinböcke, Löwen waren ja ganz schön, Bündel voll Muskeln und Sehnen, an denen ein Mann zeigen konnte, was er vermochte. Und was die Robben anlangte, so ließen sie sich ja seit Menschengedenken zu Hunderttausenden totschlagen, um ihre Häute abzuliefern und ihren Speck, wenn es dieRobbenschläger gerade brauchten. Aber schließlich waren sie doch bloß Fleisch und Blut, komisch wie die Affen, oder ulkig und schiefgestellt wie die Hyänen. Keiner Gewehrkugel gewachsen, von MG. oder Handgranate ganz zu schweigen. Nein, der Mensch, mit seinem Gehirn im Schädel und seinen geschickten Fingern, war Herr der Schöpfung und der nordische, der Germane, Herr der Menschen. Das hatte der Führer dem deutschen Volke vom Himmel gebracht, das war das richtige Evangelium, das neue, gestern abend war es der Welt wieder einmal eingehämmert worden. Schade, daß die Parteitage immer da unten stattfanden, in Franken. Warum nicht einmal in Hamburg oder in Oldenburg, wohin man leicht hätte hinflitzen können, all das Zeug zu begraben, das ihr von der Jugend her noch im Kopfe steckte. »Nun, laß mal sein, Albert«, entgegnete sie, seinen Arm nehmend, »ich bin nun, wie ich bin, mußt mich schon so verbrauchen und geht ja auch ganz gut, nöch? oder?« – Und dann wanderten sie hinüber zu den Vogelfelsen, wo die Adler ihre Hälse und Schnäbel vom Himmel abhoben, wie auf dem Hoheitszeichen der Partei, und riesige Geier, Kondore aus Südamerika, ihre mächtigen Flügel

Weitere Kostenlose Bücher