Das Beil von Wandsbek
im Shuk mitangesehen. Dort sei ein riesiger Tisch zur Schau gestellt worden mit Solinger Schlächtermessern, die ein Mann der NSBO. vom »Neunauge« aus Parteimitteln mitgebracht und an Araber zum Weiterverkauf geliefert hatte; lange, gerade Klingen, so recht für den heimischen Gebrauch, wie die Araber ihn verstanden. Sie hätten denn auch mit entsprechenden Mienen den Tisch umfeilscht; leider wenig gekauft – vorläufig, weil die Japaner mit ihrem »Solingen« die Preise verdarben. Aber eine tapfere jüdische Dame, die bei Besorgungen vorüberkam, hätte sich mal eben an die Wand lehnen müssen und sei schleunigst umgekehrt. Vielleicht besaß sie das zweite Gesicht, wie so viele Leute von der Waterkant, und witterte schon, wo diese Klingen in »ihren Leuten« stecken bleiben würden. »Schlächtermesser?« wiederholte Herr Footh lächelnd. »Dabei fällt mir was ein. Entschuldigen Sie, Käppn«, und er gab telephonisch Fräulein Blüthe die Anweisung, ihn mit Wandsbek 8494 zu verbinden und seinen Kriegskameraden Albert Teetjen an den Apparat rufen zu lassen. Otto Lehmkes Bierstube werde sich melden. Dann warf er die Frage hin, was denn die Haifaer Arbeiter dazu sagten, wenn im Hafen die Hakenkreuzflagge wehte. Und er schmunzelte, als ihm der Kapitän versicherte, da dürfe keiner die Miene verziehen. Von Fall zu Fall hinge ja auch in der deutschen Kolonie die neue Reichsflagge über die Straße. Und wenn gerade angesehene deutsche Touristen im Windsor-Hotel abstiegen, Major von Hindenburg oder Herr von Papen, zeige auch das unsere Farben. »Wird sich wohl so gehören«, grinste Herr Footh, und er erzählte dem Kapitän, der es ja auf See nur kurz durchs Radio gehört hatte, wie wohl sich voriges Jahr der englische König in Salzburg gefühlt habe, und wie herzlich ihn die österreichischen Parteigenossen begrüßt hatten, als er in weißen Lederhosen und Nazistrümpfen dort Einkäufe machte. »Sie haben Eduard VIII. zwar inzwischen kaltgestellt. Aber es sollen in England schon Könige ab- und eingesetzt worden sein, wenn ein starker Königsmacher, wie zum Beispiel derzukünftige Sieger im deutsch-russischen Krieg, auf etwas derartiges dringen sollte.« Der Kapitän rutschte auf seinem Stuhl nach vorn: ob denn Herr Footh an einen Krieg glaube? Die englische Flotte, in Alexandria zum Beispiel, sei keine wurmige Nuß. Gerade hätten in Haifa das Schlachtschiff »Hood« und der Kreuzer »Repulse« ihre Visitenkarten abgegeben – keine bloßen Schaustücke mit ihren riesigen Rohren. »Unser Führer erreicht alles ohne Krieg. Darauf können wir einen trinken.« Und Footh verlangte durchs Telephon zwei Gläser Kümmel.
Sie wurden gebracht von Fräulein Blüthe, die bescheiden und lächelnd ein Tablett auf den Schreibtisch stellte. Dann bat sie, während die Herren anstießen, etwas ausrichten zu dürfen. Herr Teetjen war auf dem Zentralschlachthof und konnte nicht an den Apparat kommen, aber seine Frau war da; ob sie etwas ausrichten solle? Herr Footh stellte sein Glas auf die blanke Nickelplatte zurück und ließ seine Augen, nach innen gekehrt, auf dem hübschen Gesicht des Fräuleins ruhen. »Was Wichtiges. Ich bitte Herrn Teetjen morgen mittag mit mir bei Cölln zu frühstücken, pünktlich zwölf Uhr. Das wird seinem Kredit zugutekommen, zum mindesten bei Otto Lehmkes Bierstube«, zwinkerte er lustig. Und jetzt bemerkte er auch, wie hübsch die Blüthe sich frisiert hatte, und wieviel Wert sie darauf legte, daß er es bemerkte. Leider mußte er ihr gleich einen Schmerz bereiten. »Und nun rufen Sie noch in Fuhlsbüttel an: es habe dann wohl keinen Sinn, wenn ich schon heute herauskäme. Ob wir besagte Krebse auch am Dienstag noch knacken könnten?« – »Sehr wohl, Herr Footh.« Und mit einem wehen Blick ihrer Vergißmeinnichtaugen eilte Anneliese Blüthe an ihr Telephon, wo der schwarze Hörer noch immer auf dem Tische ruhte.
V
Lehmkes gehörten zu den besten Kunden der Teetjenschen Schlächterei – groß im Bestellen von Eisbein, Wellfleisch und Würsten. Herr Lehmke saß an einem seiner Gasttische, sortierte mehrere Spiele Karten, die Preesters Leute gestern nacht auf unmögliche Weise durcheinander gebracht hatten, schob ein StückKautabak, einen sogenannten Priem, in die Backentasche und sagte zu seiner Frau, die, Gläser spülend, hinter der Theke stand: »Nun siehst du’s doch. Ollsche Teetjen ist ein feiner Mann. Denn nur feine Leute haben feine Freunde.« Frau Lehmke, Kielerin, eine korpulente Dame
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