Das Beil von Wandsbek
mit einem Dutt aus grauen Strähnen über dem Scheitel und kleinen scharfen Augen, neigte offenbar nicht zu der Gutmütigkeit, die man Frauen ihres Formats zuschreibt. »Tja«, erwiderte sie, »Albert hat doch Gardemaß, und die Uniform steht im bannig schön. Aber wenn dich einer fragt, ob sich Stine Teetjen die Haare färbt, so sag nur: meine Frau meint, ja.« – »Das laß du seine Sache sein.« – »Laß ich ja. Meine man bloß. Man wird doch noch was sagen dürfen.«
Als lange verheiratete Leute verstanden Lehmkes einander auch unterhalb des Ausgesprochenen. Frau Fiete Lehmke hatte den erfreuten Blick wohl bemerkt, den ihr Mann der Stine nachgesandt, als sie vorhin so schlank und rank aus der Schanktür eilte, weil sie befürchtete, der Reis brenne ihr an.
»Und ich dachte, die Freundschaft mit dem Footh sei längst eingeschlafen.« Sie zog anstatt des feuchten ein trockenes Wischtuch aus einem Wandfach vor und polierte ihre Gläser. »Warum denn?« entgegnete er. »Die SS. ist doch Adolfs Elite. Da sieht man, wozu es gut ist.« – »Fand immer, Albert gehöre in die SA., und mit der SS. habe er sich eigentlich übernommen.« – »Aber nun zeigt sich’s ja. Einen SA.-Mann Teetjen hätte der reiche Reeder Footh kaum angeklingelt.« – »Und zu Cölln bestellt. Reichtum hin und her – wird wohl auch Gewerkschaftsgelder, ich meine Arbeitsfront, in seinem Betrieb haben.« – »Verbrenn du dir die Snut. Davon ist an unseren Tischen noch nie die Rede gewesen.« – »Nehm’s also zurück. Mir kam’s hoch wegen Cölln, Lehmkes Bierstube hätt’ wohl nicht gereicht.« – »Reg dich ab, Olsch. Der Footh ist doch auch SS. Und wenn’s ihm gerade liegt, kommt er doch zu uns und schnackt sich eins mit dem Albert.« – »Und bindet der Stine das Schürzenband auf, wenn Albert just nicht hinsieht.« – »Glaub ich nicht«, damit stand er auf, um die Spielkarten, des Teufels Gebetbuch, wieder einzuschließen. »Möcht nicht anbinden mit Alberten. Ein Fleischer, der nicht kinderlieb ist. Sonst sind die doch immer so gutmütig.« Frau Lehmke trocknete sichdie Hände an der Schürze ab. »Wenn er mal wieder Bargeld braucht, wie halt ich’s ’mit?« – »Immer gib ihm. Hat ja noch stets prompte geblecht. Und jetzt erst recht.«
VI
Stine Geisow, verehelichte Teetjen – es lohnte sich, ihr nachzuschauen. Wie ein Junge lief sie mit ihren schlanken Hüften, die geraden Beine ohne Strümpfe im halblangen Rock kräftig gebrauchend, den Weg in ihren Laden. Sie hielt dabei ihre Brust fest, denn in diesen letzten Augusttagen genoß sie noch die Sommerfreude, so leicht wie möglich und anständig gekleidet zu sein, in helle Baumwollstoffe, bunt bedruckt und weiß punktiert, wie die Mode und die Warenhäuser es wollten; olivgrün vertrug sich gut mit ihrem fast maisfarbenen Haar. Sie wußte wohl, daß sie Otto Lehmke gefiel, hatte es gemerkt und genossen, aber neben Albert kam Lehmke nicht in Betracht, solch ein schwerer Bulle. Gastwirte sitzen immer so dabei und schütten sich Bier in den Bauch, und der gedeiht dann entsprechend. Die Lehmkesche durfte beruhigt sein und ihre Giftblicke im Futteral lassen.
Stine mußte schnell machen. Sie hatte einen Hamburger Klöben, einen Stollen aus Kuchenteig mit Mandeln und Rosinen und bescheiden verwandtem Zitronat in der Backröhre; außerdem aber stand der Reis auf dem Gas, kleingedreht und die Asbestplatte zwischen Topf und Flamme. Aber dennoch, Reis war tückisch; hast du nicht gesehen, brannte er an. Und es sollte heute Reis mit Würstchen geben, die sich nicht verkauft hatten und weg mußten, bevor man sie nur noch als Hundefutter dazugeben konnte. Diese Stunde jetzt, zwischen halb zehn und halb elf, durfte zum Glück die geeignete genannt werden zum Telefonieren. Die Frühauf-Hausfrauen hatten ihr Suppen- und Schmorfleisch schon eingeholt, und die andern, die mal schnell was zum Braten besorgten, weil sie sich erst auf den letzten Drücker entschieden, ob Schweinsschnitzel, Kalbsschnitzel oder Muttonchops, die kamen erst ab etwa halb zwölf. Indes saß als Stellvertretung Dörte Lehmke in Teetjens Laden, naschte einen Wurstzipfel Salami und fertigtedie Kunden ab, falls welche kamen. Sie tat das leidenschaftlich gern, ein verfressenes kleines Mädchen, das dick und vollbusig ihrem Vater nachgeriet und danach strebte, Verkäuferin im Dachgeschoß von Tietz zu werden, am Dammtorbahnhof oder bei der Börse, wo im Frühstücksraum schmucke junge Leute Sandwichs zu essen kamen
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