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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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und einen Malaga dazu genehmigten. Die verstanden es, die genossen ihr Leben und ließen anderen auch ein Teilchen. Dörte, eigentlich Dorothea, war noch nicht lange vom Jungvolk der Hitlerjugend zum Mitglied des BDM. aufgerückt, des Bundes deutscher Mädel. Sie schwärmte für Baldur von Schirach, diesen Dichter und Patrizier, seitdem sie ihn bei der Einweihung des Horst-Wessel-Brunnens hatte erblicken dürfen. Noch lieber wäre ihr ja freilich der Anblick von Hermann Göring gewesen, der nach den Bildern ihrem Vater am ähnlichsten sah von allen Führern des Reiches. Aber der kam jetzt nicht nach Hamburg. Der baute die Luftwaffe auf, zur Zerschmetterung der roten Bolschewisten, die die arme Ukraine knechteten und ausraubten. Dörte haßte die Kommunisten, denn ihr Vater haßte sie, sie verdarben ihm bis 33 das ganze Geschäft. »Ja, Frau Teetjen, ich habe was verkauft«, rief Dörte triumphierend als Stine die Türklingel zum Schnappen brachte. »Herr Lawerenz hat plötzlich Besuch bekommen und ein Viertel Pökelzunge holen lassen. Möcht ich auch mal frühstücken.« – »Gott, Dörte«, lachte Stine, »tust ja, als ließe Mutter dich verhungern.« – »Bewahre«, antwortete das halbwüchsige Ding und schnappte begeistert nach dem Rest einer halben Scheibe, die sie zuviel abgeschnitten hatte, als sie vorhin die steif gekühlte schwere Zunge aus dem Kühlschrank nahm, der weißlackiert die Rückwand des Ladens halbierte, der großen Fensterscheibe gegenüber. »Mm«, schmatzte sie, »das läßt sich mal schön an. Aber richtig wär’s erst mit einem Butterbrötchen.« – Frau Stine war inzwischen in der Küche gewesen, wo sie ihren Reis durch Umrühren davor gerettet hatte, anzuhängen, nämlich am Boden des Topfes festzubacken und das ganze Gericht zu verderben; ihr Markknochen, den Albert ihr vor dem Weggehen noch kleingehackt, kochte fleißig und strömte schon Bouillongeruch aus, mit Suppengrün und Petersilie, als sie den Deckel lüftete und wieder schloß. Dabei fiel sie, sie wußte nicht wie, indie Rolle der Köchin zurück, die sie so lange bei Plauts wahrgenommen hatte, bei Apotheker Plaut in der Rothenbaumchaussee. Sie schob Dörten Lehmke die kleine, ebenso dicke Marga Plaut von damals unter (die jetzt längst selbst eine Tochter hatte, in Blomfontein, Südafrika) und sagte: »Mit Gänsefett natürlich, Kind! Wie kommst du auf Butter?« – »Kanonen statt Butter«, rief Dörte strahlend und eilte nach Haus, den Küchenausgang zum Hof benutzend, damit die Ladenglocke nicht überflüssig läute.
    Stine aber, leicht beweglich und wie beschwingt, schlüpfte ins Schlafzimmer, zog ihr Kleid aus, dehnte die Arme, erblickte im kleinen Spiegel über dem Waschtisch das rötliche Haar in ihrer linken Achselhöhle und lächelte glücklich. Ihr schmucker Albert liebte sie noch, nach bald zehn Jahren Ehe. Das war was. Im Winter 27 hatten sie geheiratet, nach Ablauf des Trauerjahres, dem Tod ihrer guten Eltern, die der großen Springflut von 26 zum Opfer gefallen waren, auf ihrer Hallig, nahe der dänischen Küste. Damals war der Hindenburgdamm, den die Republik gerade vom Festland nach der Insel Sylt baute, in den grauen Wassern der Nordsee weggeschmolzen, und die alten Geisows, zugleich mit vielen anderen Halligleuten, von ihrer kleinen, flachen Insel verschwunden. Von dem bißchen, das sie ihr vererbten, wurde Alberts Fleischerei modernisiert, eigentlich eine Last. Aber jetzt sah es ja so aus, als seien sie aus dem Schlimmsten. Vielleicht konnte man bald daran denken, doch noch die hübschen braunen Sportschuhe zu kaufen, die ihr in die Augen stachen, so oft sie an Schuh-Leemanns Schaufenster in der Wandsbeker Chaussee vorüberkam. Für braune Schuhe durfte man es ja wohl reichlich spät nennen, aber Mitte September wurden sie im Preise bestimmt zurückgesetzt, und ihr machte es nichts aus. Zu Hause sahen braune Schuhe immer freundlich aus, und der Straßenschmutz im Winter kannte keinen Unterschied zwischen braunem Boxcalf und schwarzem. Auf alle Fälle würde sie jetzt mal ihre Straßenschuhe besohlen lassen. Etwas kam bestimmt heraus morgen um zwölf bei Cölln – und mit wirklichen Ausgaben wartete man selbstverständlich, bis dies Ergebnis sich greifen ließ. Ob freilich Herr Footh fähig sein würde, auf einen großen Warenhauskonzern Einfluß zu nehmen, stand noch gar sehr dahin. Vielleicht aber konnte ihm Albert einenVertrag abluchsen, das Frischfleisch für seine fünf Tankschiffe zu liefern, das sie

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