Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
Vom Netzwerk:
in ihren Eiskästen mitnahmen. Regelmäßige Einkünfte, darauf kam es an, sie den laufenden Ausgaben entgegenzusetzen. Damit hatte sie sich die Haare wieder festgesteckt, eine blaue Küchenschürze statt des Kleides angelegt und den Küchenstuhl an eine Stelle gezogen, von der aus sie den Laden und ihren Herd gleichzeitig zu überwachen pflegte. Sie hatte eine Tüte früher Äpfel eingehandelt, grün wie das Rattengift, das Herr Plaut mit seiner feinen Waage den Schiffsgesellschaften zuwog, die es in ihren Speichern und Kielräumen ausstreuten. Eigentlich Fallobst und recht madig; und sie putzte es jetzt für Apfelmus, Kompott, aus dem sie sich sehr viel machte, und Albert auch. Hätte es nur nicht so viel Zucker verschlungen! Wenn man sie geschält und die Griebsche herausgepuhlt hatte, wie Frau Plaut das Kerngehäuse nannte, waren es ja man bloß kleine Viertel, die sie da in die Emailleschüssel mit Wasser plumpsen ließ. Aber helf er sich. Sie wuchsen halt noch nicht größer.
    Morgen um zwölf bei Cölln. Albert mußte auf alle Fälle einen Taler Bargeld in die Tasche stecken. Reiche Leute waren oft knickrig und Überraschungen gab es immer.

Zweites Kapitel
Die Versuchung
I
    »Die meisten großen Städte«, bemerkte Herr Footh und träufelte ein wenig Zitronensaft auf ein geröstetes Brötchen mit grauem Störrogen, genannt Kaviar, »die meisten großen Städte verdanken ihr Stadtbild dem Zusammenspiel von Wasser und Feuer. Alle sind einmal tüchtig abgebrannt wie auf Bestellung.« – Albert Teetjen kaute erst zu Ende. Ihm lag nicht viel an Kaviar. Er hatte der weißen Porzellandose in Form eines Fäßchens, mit der Aufschrift Beluga, nur zwei oder drei knappe Löffelchen entnommen: »Was Gott tut, das ist wohlgetan, für die Baumeister und die Terrainschieber«, bekräftigte er dann. – Herr Cölln, den esschon lange nicht mehr gab, hatte seine Gaststätte, in absichtlichem Gegensatz zu süddeutschen Bieren, darauf abgestellt, dem Brauwesen West- und Ostfalens auf die Beine zu helfen oder unter die Arme zu greifen. Infolgedessen genossen seine Gäste noch hundert Jahre nach der Gründung Bier aus Dortmund und Einbeck, das nirgendwo besser gepflegt auf den Tisch kam. Das Holz dieser Tische, naturfarben und gefirnißt, gelblichgrün vor Alter, kam in urwüchsiger Schönheit zur Geltung; es lagen keine Tischtücher bei Cöllns, und die Gäste saßen auf breiten, braunen Sitzen und Bänken, ungepolstert und dennoch behaglich. Man stieg eine Anzahl Stufen in das niedere Gewölbe hinab, von dessen Decke die Modelle hansischer Koggen und Fregatten in genauer Nachbildung hingen, und freute sich dann der Kühle und der würzigen Gerüche, denn Cöllns Küche verwendete nur die allerbesten Zutaten und hielt auf Tradition auch bei den Speisen: solide, reichlich und first class.
    Die beiden Herren in SS.-Uniform hatten sich den Platz noch wählen können – man frühstückt spät in Hamburg; vor halb eins liefert die Küche kaum Gerichte, die sie als Tagesplatten ankündigt. Das machte nichts; dafür konnte man sich in eine Ecke kuscheln, hinter einem halbzugezogenen Vorhang aus schwerem Fries, und ungestört eins schnacken. Ein schlanker, brauner Dackel, Ebert geheißen, war mit Herrn Footh dem hellgrauen Mercedes entstiegen und lag jetzt unter seinem Stuhl, zusammengerollt und der Dinge wartend, die in Form von Bissen und Knöchlein aus der Oberwelt zu ihm herabfallen würden. Keiner der Tische stand so nah, daß jemand das Gespräch hätte belauschen können, dem Albert Teetjen gespannt entgegenwartete. Aber er hatte gelernt, sich zu beherrschen und keine Miene zu verziehen. Ihm schien es schon von guter Vorbedeutung, daß Herr Footh sich von Anfang an des Hamburger Platt bediente, als sie einander vor den Eingangsstufen begegneten.
    Daher klang es durchaus nicht sonderbar, als er ihn jetzt »mein Sohn« anredete, gleichaltrig wie sie waren. Überhaupt verleiht der niederdeutsche Dialekt, gleich der holländischen oder auch der jiddischen Sprache, allem etwas Gemütliches und Anheimelndes, wenn er von Leuten gesprochen wird, die ihn von Jugendan gewöhnt sind. »Tja, mein Sohn, was du dir so gedacht hast, das geht natürlich nicht. Wir vom Transportwesen können dem Verteilungsgewerbe nicht hineinpfuschen. Du gehörst zur verarbeitenden Nahrungsmittelbranche. Senat und Bürgerschaft aber haben die Verbraucher im Auge, und das muß wohl so sein. Bevor der Führer die Rüstung ankurbelte, steckten wir mitten drin in

Weitere Kostenlose Bücher