Das Bernsteinzimmer
ging in die Geschichte als größter Gangster ein … du wirst es als großer Wohltäter schaffen. Das ist genial, Dad – sie haben dich nie geschnappt!«
»Was willst du?« fragte der alte Williams. Es klang, als wollte er nach einer Ratte treten.
»Für mein Alter zehn Millionen Dollar auf ein Konto.«
»Arbeite«, sagte der Alte.
»Auf deine Art? Dad, das kann doch nicht dein Ernst sein.« Joe lachte laut. »Was sind zehn Millionen Dollar für dich? Ich habe mal in einer stillen Stunde ausgerechnet, wieviel du in vierzig Jahren Mädchenhandel verdient hast. Allein nur damit … die anderen Geschäfte gar nicht mitgerechnet. Dad, dieses Weiberfleisch hat dir nicht nur die Nase, sondern den ganzen Körper bis zum Arsch vergoldet.«
»Wohin?« fragte der alte Williams knapp.
»Was wohin?«
»Wohin sollen die zehn Millionen Dollar überwiesen werden, du Saukerl?!«
»Das gebe ich dir noch bekannt. Danke, Dad.«
»Und wann?«
»Damit du siehst, daß ich deine Großzügigkeit geerbt habe, erst nach deinem Tod. Eine Anweisung im Testament.«
»Und wenn ich das vergesse? Wenn nichts drinsteht nach meinem Tod?«
»Es wäre das erstemal, daß der große Williams nicht sein Wort hält. Aber nehmen wir an, diesesmal hält er es nicht. Was dann, Dad? Dann bricht in Whitesands Feuer aus, explodieren die Heizöltanks, und deine Krebsstiftung wird monatlich einmal auf irgendeine Weise heimgesucht, bis sie die zehn Millionen Dollar in ein Köfferchen stecken, um endlich Ruhe zu haben.«
»Du bist ein Schwein!« sagte der Alte. Seiner Stimme hörte man den Ekel an.
»Ich bin dein Sohn, Dad!« Joe lachte wieder ins Telefon. »Eigentlich solltest du auf mich stolz sein.«
Er legte auf, ehe der alte Williams ihm noch mehr Grobes an den Kopf werfen konnte.
Kurz vor Weihnachten saß Joe wieder in einer Maschine, die nach Frankfurt flog. In der 1. Klasse wurde Champagner serviert, Williams streckte die Beine von sich, prostete der blonden Stewardeß augenzwinkernd zu, nahm einen Schluck und faltete dann die New York Times auseinander, die mit dem Champagner gebracht worden war. Sie war dick wie immer, eine Lektüre für Stunden, wenn nicht für einen ganzen Tag, wenn man jede Seite genau lesen wollte, und Joe machte sich daran, erst die Politik und dann den Sport zu lesen. Beim Umblättern der Anzeigenseiten fiel ihm eine umrandete Anzeige auf, die er aber nicht las, sondern nur flüchtig wahrnahm, bis er plötzlich stutzte und die Augenbrauen zusammenzog.
Hatte da nicht der Name Silverman gestanden? Verrückt – aber sein Hirn hatte es registriert. Er blätterte schnell zurück, fand die umrandete Anzeige sofort und las sie mit zusammengepreßten Lippen.
Captain Fred Silverman – das war er. Den gab es nur einmal. Und jemand suchte ihn … in Frankfurt, ausgerechnet in Frankfurt, und so wichtig mußte es sein, daß eine auffällige Anzeige in der New York Times erschien.
Joe riß das Blatt aus der Zeitung, faltete es zusammen, steckte es in seine Brusttasche und dachte dann nach. Einen Fred Silverman sucht man nicht ohne Grund. Vor allem sucht man ihn nicht, um ihm bloß die Hand zu drücken, ihn zu umarmen, auf die Schulter zu klopfen und zu sagen: »Gut, daß du noch da bist. Jetzt gehen wir mal gut essen!« Wer so nach einem Silverman sucht, hat einen gewichtigen Grund. Und wofür kann Silverman wichtig sein? Für die Suche nach dem verschwundenen Bernsteinzimmer.
Eine große Unruhe erfaßte Joe Williams. Der Flug bis nach Frankfurt kam ihm jetzt doppelt so lang vor wie der Hinflug nach Mexiko. Vom Flughafen ließ er sich sofort zu seinem Puff in der Moselstraße fahren und stand plötzlich vor dem völlig verwirrten jugoslawischen Geschäftsführer.
»Hallo, Boy!« sagte Williams freundlich. »Das sind Joes kleine Überraschungen. Laß die Koffer aus dem Taxi holen, und dann legst du mir die Buchführung vor.«
»Ist Mr. Brooks auch da?« fragte der Jugoslawe.
»Nein, der gute Larry bleibt drüben in den Staaten. Er hat ein Mädchen kennengelernt, ist seitdem geistig verwirrt und will sich auszahlen lassen.«
Er ging die Treppe hinauf in seine Privaträume, von denen aus er mit versteckten Kameras und Mikrofonen in allen Zimmern kontrollieren konnte, was dort geschah und gesprochen wurde, holte einen Stadtplan aus der Schublade und suchte die Straße, die in der Anzeige aufgegeben worden war. Sie lag in der Nähe des Zoos, eine stille Straße mit Häusern um die Jahrhundertwende, eine gute Gegend, um
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