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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einer Hilfe.« Ihr Reaktionsvermögen war hervorragend. Sie hob den Kopf, sah Dr. Wendler in die Augen, aber es war ein kühler, abweisender Blick. »Mit dem Fahrrad bin ich dann zum Schloß gefahren. Sie können es sich ansehen, es steht draußen an der Hauswand.«
    »Verrückt! Als ob wir hier nicht genug Sanitäter bei der Truppe haben! Da kommen von der Front die Schwerverwundeten, die die beste Pflege brauchen, und man zieht eine Schwester ab, um einen Zivilisten zu betreuen! Idiotie!«
    »Wenden Sie sich bitte an den Herrn General«, sagte Jana kühl. Wie wild ihr Herz klopfte, konnte man ja nicht sehen. »Vom Stab rief man an –«
    »Das weiß ich nun.« Dr. Wendler stieß sich von der Wand ab. »Wie lange bleiben Sie im Schloß, Schwester?«
    »Solange man mich hier braucht.«
    »Wie heißen Sie eigentlich?«
    »Jana Rogowskij.«
    »Klingt verdammt russisch –«
    »Ich bin in Masuren geboren. In Lyck in Ostpreußen.«
    »Natürlich weiß ich, wo Masuren liegt!« Dr. Wendler reagierte ausgesprochen beleidigt. »Schlacht an den Masurischen Seen. Hindenburg vernichtet die russische Armee … 1914 … im Ersten Weltkrieg. Jana Rogowskij, also doch ein paar Tropfen russisches Blut.«
    »Nicht einen.« Und dann sagte Jana etwas, das Wachter nie für möglich gehalten hätte. »Ich habe einen Ahnenpaß. Bis 1680. Meine Vorfahren waren brandenburgische Siedler. Wollen Sie den Ahnenpaß sehen? Ich hole ihn …«
    »Danke! Danke!« Dr. Wendler winkte ab, nickte Wachter noch einmal zu und verließ dann mit knarrenden Stiefeln die Wohnung. Einen Augenblick blieb Wachter ruhig liegen, aber dann schnellte er aus seinen Kissen empor.
    »Das war das Tollste, was ich je gehört habe! Wer hat dir denn die Sache mit dem Ahnenpaß beigebracht?«
    »Bitte bleiben Sie liegen, Herr Wachter.« Janas dunkle Augen blitzten vor Freude. »Irgendwann habe ich mal in der PRAWDA gelesen, daß die Deutschen ganz wild auf Ahnenpässe sind. Jeder will nachweisen, daß er ein Arier ist, nie ein Jude in seiner Familie war. Daran habe ich mich plötzlich erinnert.«
    »Du … Verzeihung … Sie sind ein wunderbares Mädchen, Jana. Und jetzt seien Sie noch wunderbarer, lassen Sie mich aufstehen und zu meinem Bernsteinzimmer gehen.«
    Ein paar Minuten später stand Wachter, gestützt auf Janas Schulter, in dem Saal. Erschütterung lähmte seine Zunge, er war zu keinem Wort mehr fähig, nur seine Augen schimmerten feucht.
    An vielen Stellen waren die Verkleidungen heruntergerissen, häßliche Löcher klafften in den Bernsteinwänden, Rosetten und Girlandenstücke fehlten – ein Anblick, der einem das Herz zerreißen konnte. Aber das Zimmer war leer. Die deutschen Soldaten hatten es räumen müssen. Was sie zurückgelassen hatten, waren verdreckte Polster auf den Sesseln und Kanapees, einen durch Nagelstiefel beschädigten Fußboden, eine Menge Papier, Dosen und Flaschen und an einer nackten Frauenfigur aus Bernstein ein Pappschild: ›Wichsen verboten!‹
    »Ein deutscher Soldat zerstört nichts …« wiederholte Wachter leise die Worte Dr. Wendlers. »Und wir waren immer stolz darauf, Deutsche geblieben zu sein. Jetzt schäme ich mich.«
    Er senkte den Kopf, schloß die Augen, und Jana ließ ihn allein mit seinem Schmerz, sprach ihn nicht an, sagte kein Wort und biß die Zähne zusammen.
    Was sollte man auch sagen? Krieg war, und jeder Eroberer benimmt sich wie ein Eroberer … seit Jahrtausenden …
    Sie schraken zusammen. Hinter ihnen klappte die Tür zu. Sie drehten sich schnell um und sahen, daß General von Kortte ins Zimmer gekommen war. Er warf einen kurzen Blick durch den Saal und hob in stummer Resignation die Schultern.
    »Ich war bei Ihnen, Herr Wachter«, sagte er. »Aber Sie waren nicht in Ihrer Wohnung. Wo anders als im Bernsteinzimmer kann er sein, dachte ich, und so ist es. Ich weiß, was Sie sagen wollen … es bleibt mir nur die beschämende Pflicht, mich für meine Soldaten zu entschuldigen. Davon haben Sie nichts, davon kommen die herausgebrochenen Stücke nicht wieder, vier Soldaten warten auf ihre Bestrafung, den anderen ist nichts nachzuweisen … ein Krieg fordert vielerlei Opfer.«
    General von Kortte schritt die Wände ab, betrachtete die freigelegten Bernsteinvertäfelungen, die Figuren, Gemälde, Rosetten und Girlanden und blieb nach diesem Rundgang wieder vor Michael Wachter und Jana Petrowna stehen.
    »Ich verstehe ja wenig davon«, sagte er. »Museen waren mir immer ein Greuel. Eine Ansammlung toter Gegenstände

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