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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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… ich habe es lieber mit lebenden Menschen zu tun. Aber das erkenne ich jetzt doch: Das hier ist von unschätzbarem Wert. Das ist ein Kunstwerk, das einen nicht kaltlassen kann.« Er zögerte und fügte dann hinzu: »Wie ich Ihnen schon gesagt habe, im Reich scheint man genauso zu denken.«
    »Was … was meinen Sie damit, Herr General?« Wachters Stimme bekam einen besorgten Unterton. »Was haben Sie gehört?«
    »Morgen treffen zwei Sonderkommissionen bei uns ein, ein ›Sonderkommando AA‹, das heißt vom Außenministerium, und Herren des ›Einsatzstabes Rosenberg‹. Sämtliche Herren sind Kunstwissenschaftler, Museumskonservatoren, Kunstsachverständige. Experten also. Warum wohl strömen sie aus allen Ecken nach Puschkin und ausgerechnet zum Katharinen-Palast?!«
    »Ja, das ist kein schweres Rätsel, Herr General.« Wachter stützte sich schwer auf Janas Schulter. Ihm war, als weichten die Knochen seiner Beine auf. »Was raten Sie mir? Was soll ich tun?«
    »Nichts.«
    »Das ist verdammt wenig.«
    »Etwas anderes bleibt Ihnen gar nicht übrig, Herr Wachter.« General von Kortte sah Jana fragend an. Eine Rote-Kreuz-Schwester zur Betreuung eines Niedergeschlagenen … wer hatte diesen Luxus angeordnet? Aber er fragte nicht weiter nach, wie alle anderen, für die eine Schwester im Einsatz ein gewohntes Bild war. »Kann ich etwas für Sie tun?«
    »Die Sonderkommandos nicht in das Schloß lassen, Herr General.«
    »Wie stellen Sie sich das vor? Der Chef der 18. Armee, Generaloberst von Küchler, hat sie mir angekündigt. Ich kann doch nicht zu dem Generaloberst sagen: Rufen Sie die Herren zurück!«
    »Warum nicht?«
    »So kann nur ein Zivilist fragen. Erstens kann ich dem Generaloberst keine Vorschriften machen, und zweitens unterstehen die Sonderkommandos nicht der Befehlsgewalt des Heeres, sondern nur ihren Ministerien. Ich werde einen Teufel tun, Ribbentrop oder Rosenberg anzusprechen.« General von Kortte stieß wieder die Tür auf und wandte sich zum Weggehen. Aber im geschnitzten, vergoldeten Türrahmen drehte er sich noch einmal um. »Machen Sie keine Dummheiten!« sagte er ernst. »Ein Mensch ist ersetzbar, dieses Kunstwerk nicht … wo immer es stehen wird. Ihre Familie hat jahrelang vorbildlich ihre Pflicht getan. Auch das gibt es nicht wieder.«
    Im Führerhauptquartier ›Wolfsschanze‹ bei Rastenburg in Ostpreußen, im Norden der Masurischen Seenplatte, bereitete sich Reichsleiter Martin Bormann, der Chef der Parteikanzlei und einer der wenigen Vertrauten Hitlers, auf die obligatorische Mittagstafel des Führers vor.
    Zwar aß Hitler nur wenig und vorwiegend vegetarisch, aber das beeinträchtigte in keiner Weise die tägliche Spannung, die diesem Mittagsmahl vorausging. Die Tischgespräche, die Hitler dabei führte, diese endlosen Monologe über seine Zukunftsgedanken, seine Ziele, seine Hoffnungen, seine Ansichten über Kunst und Wissenschaft, Strategie und Weltpolitik, Wirtschaft und nationalsozialistische Rechtsreform, Außenpolitik und Baukunst entblößten von Tag zu Tag mehr das Wesen dieses Führers, der angetreten war, die ganze Welt zu verändern.
    An diesem 22. September 1941 stand es fest, daß Leningrad nicht erobert werden sollte, sondern der Sturm auf Moskau vordringlicher war. Der Ring war geschlossen, die Blockade konnte beginnen, das Aushungern von 1,5 Millionen Menschen. Was an dieser Front entbehrlich war, wurde herausgezogen und in die Schlacht um Moskau geworfen, zuerst die 4. Panzergruppe von General Hoepner. Es war eine Entscheidung, die weder Stalin noch Schukow glaubten, nichts als ein Täuschungsmanöver, sagten sie, aber dann tauchte die 4. Panzergruppe im Norden Moskaus auf und bestätigte die Wahrheit: Leningrad wurde nicht mit Waffengewalt erobert … es sollte verhungern.
    Martin Bormann ordnete ein paar Schreiben in einen Schnellhefter, kniff ihn unter den Arm und betrat kurz vor Hitler den Eßraum des Führers. Die Lagebesprechung war beendet, die Meldungen von den Fronten hatten Hitler erfreut, zwar war der Vormarsch der deutschen Armeen äußerst zäh und der Widerstand der Sowjets wuchs von Tag zu Tag, aber das große Ziel rückte immer näher: der Einmarsch deutscher Truppen in Moskau. Was Napoleon mißlungen war, würde der Führer in Kürze dem deutschen Volk und der Welt melden können: Zum erstenmal in der Geschichte betrete ein europäisches Heer die Hauptstadt Rußlands.
    An diesem Tag war Hitler mit sich, seiner Welt und seinen Generälen zufrieden. Man

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