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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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konnte sich schöneren Dingen zuwenden, zum Beispiel den Künsten.
    Wie kaum ein anderer aus seiner Umgebung kannte Bormann den Führer, seine Stimmungen und seine Schwächen. Er ahnte fast immer richtig voraus, was Hitlers Geist außerhalb der militärischen Situationen beschäftigte. Oft lenkte er vorsichtig die Gespräche auf dieses oder jenes Thema, das er gerade für wichtig hielt.
    Die Mittagstafel verlief wie immer. Hitler aß wenig, trank zum Nachtisch eine Tasse Tee, unterhielt sich kurz mit seinem Leibarzt Dr. Morell und wandte sich dann Bormann zu. Ein langer Monolog war gerade beendet. Zur Freude Bormanns hatte Hitler über seine Pläne gesprochen, nach dem Endsieg in Linz an der Donau, der Stadt, die er besonders liebte, ein gigantisches Museum zu bauen, über dessen Gestaltung sein Architekt Albert Speer schon nachdachte. Es sollte ein gigantischer Bau werden, der alles bisher Gesehene übertreffen und gegen den das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg wie eine Zwergenheimstatt wirken würde. Die wertvollsten Kunstschätze der Welt sollten in diesem Museum versammelt sein, eine riesige Walhalla der Kunst, gefüllt mit Plastiken und Gemälden, Teppichen und Gobelins, Goldschmiedearbeiten und Porzellanen, Möbeln und Büchern, Ikonen und Holzschnitzereien. Die unschätzbarsten Kulturgüter aus ganz Europa würden für alle Zeiten der Menschheit erhalten bleiben, deutscher Besitz für die kommenden tausend Jahre. Ein Erbe für Hunderte Generationen … denn Europa gehörte dem Deutschen Reich, daran zweifelte Hitler nicht einen Augenblick. Vor allem die unsagbaren Schätze im Osten, in den Schlössern, Klöstern und Kirchen, in den Zarenpalästen und den Palais der Fürsten und des russischen Hochadels sollten die Glanzstücke dieses Museums werden.
    Schon gleich zu Beginn des Krieges wurde eine Verfügung herausgegeben, daß alle Kunstschätze aus den eroberten Gebieten von Experten begutachtet und selektiert werden sollten. Die besten und wertvollsten Stücke wurden danach ausgesondert, um nach dem Sieg nach Linz gebracht zu werden. ›Führervorbehalt‹ wurde diese Verfügung genannt. Hitlers Hand lag auf allem, was eine zweitausendjährige Kunst hervorgebracht hatte.
    An diesem 22. September hatte Hitler vor der Tischrunde seinen großen Traum von Linz ausgebreitet. Aus den besetzten Ostgebieten waren lange Listen mit ›sichergestellten‹ Schätzen eingetroffen, die Hitler in Begeisterung versetzten. Er warf einen kurzen Blick zu Bormann hinüber und lehnte sich weit zurück, die Hände über dem Leib zusammengelegt.
    »Sie möchten etwas vortragen?« sagte er und wies dabei auf den roten Schnellhefter, der neben Bormann lag. »Fangen Sie an.«
    »Mein Führer –« Bormann öffnete den Schnellhefter und überflog noch einmal schnell die Meldungen, die er darin gesammelt hatte. »Das Einsatzkommando ›Hamburg‹ des Sonderkommandos AA, das sich bei Schließung des Rings um Leningrad im Verband der 18. Armee befand, hat einen Vorbericht geschickt. Ein großer Teil der Kunstschätze von Puschkin, von Gatschina, Pawlowsk und Petrodworez, dem ehemaligen Peterhof, sind gerettet worden, zum größten Teil unversehrt. Darunter befindet sich im Katharinen-Palast in Puschkin auch das wertvollste und schönste Kunstdenkmal: das Bernsteinzimmer. Es wäre wert, in Linz einen eigenen Saal zu bekommen. Fotos des Bernsteinzimmers liegen vor. Bitte, mein Führer.«
    Bormann reichte Hitler vier großformatige Fotografien. Sie zeigten das Bernsteinzimmer von allen Seiten, die Deckengemälde und den eingelegten Fußboden. Es waren Aufnahmen vor dem Krieg mit allen Möbeln und Bernsteinschränken und dem auf einem hohen, mit soldatischen Marmorfiguren umringten Sockel stehenden Reiterstandbild Friedrich des Großen. Auch die alten chinesischen Vasen waren zu sehen, die Bernstein- Intarsientischchen und der wunderschöne Bernsteinsekretär.
    Lange sah sich Hitler die Fotos an. Dann gab er sie an Bormann zurück, nickte kurz und knapp: »Ich werde das Zimmer in Linz als einen Mittelpunkt aufstellen. Veranlassen Sie das Notwendige. Es soll mit größter Sorgfalt vorgegangen werden. Wer soll die Leitung übernehmen?«
    »Ich denke an Dr. Herbert Wollters oder Dr. Hans-Heinz Runnefeldt. Sie sind Experten, vor allem für Bernstein.«
    »Am besten beide.« Hitler trank einen Schluck Tee und schien sehr zufrieden zu sein. Man sah es an seinen Händen – er rieb sie aneinander. »Sie sollen sofort beginnen. Und die anderen

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