Das Beste aus 40 Jahren
die Türglocke läutete, kaute Nina gerade lustlos an einem Toast. Es war Judith. Sie trat ein und betrachtete Nina erstaunt. Um diese Zeit noch ungeschminkt, mit zerzaustem Haar, nur ein Badetuch um sich gewickelt – das war etwas ganz Neues.
„Ist es erlaubt, einzutreten?“
„Natürlich.“ Das klang nicht besonders freundlich, denn Nina befürchtete, Judith könnte Adrian noch gesehen haben. Judith ging direkt in die Küche und setzte sich.
„Hast du Kaffee?“
Nina goss ihr eine Tasse ein, ihre Hand zitterte ein wenig. „Zucker?“, fragte sie.
„Du weißt doch, dass ich Dickmacher nicht anrühre.“ Judith beobachtete Nina. „Du bist nervös. Könnte es sein, dass ich Adrian Thornton auf der Treppe getroffen hätte, wenn ich zehn Minuten eher gekommen wäre?“
Nina schoss das Blut ins Gesicht.
„Du bist albern, Judith.“
„Albern? Meine einzige Albernheit scheint der Glaube an meine unschuldige Schwester gewesen zu sein. Dabei hast du die ganze Zeit mit Adrian Thornton geschlafen.“
„Ich …“
„Die Eltern haben am Wochenende ununterbrochen dein Lob gesungen. Ich bekam schon fast ein schlechtes Gewissen. Und keiner hatte eine Ahnung, dass du Thorntons Geliebte bist.“ Judiths Augen wurden böse. „Ich habe sogar mit Jason gestritten, als er es mir erzählte.“
„Natürlich, Jason. Ich habe es gewusst.“
„Benimm dich nicht so von oben herab, Nina. Du bist nun kein Haar besser als alle anderen. Du schläfst mit einem Mann, nur um Aufträge für deine Agentur zu bekommen, und du …“
„Sag das nicht noch einmal, Judith!“
„Noch hundertmal, weil es wahr ist. Du schläfst mit Thornton, damit er deine Agentur nicht kaputtmacht, das weißt du ganz genau. Und ich wette, er weiß es auch.“
„Raus, Judith“, rief Nina. Sie zitterte vor Zorn. „Verschwinde und lass dich nie wieder blicken.“
„Ich geh’ von allein. Du sollst nur wissen, dass kein Mensch mehr an deine makellose Keuschheit glaubt. Man kennt dich jetzt.“
„Verschwinde auf der Stelle.“
Nina nahm nicht mehr wahr, dass Judith ging. Ein schmerzlicher Gedanke fuhr ihr durch den Kopf. Sie machte sich nichts daraus, was Judith von ihr dachte, und was Jason von ihr hielt, kümmerte sie schon gar nicht. Aber es war möglich, dass Adrian das Gleiche von ihr glaubte. Sie meinte, sie würde sterben, wenn er annahm, sie sei mit ihm nur ins Bett gegangen, um nicht die Thornton-Aufträge und ihre Agentur zu verlieren.
8. KAPITEL
Niedergeschlagen hockte Nina in ihrem Sessel. Sie wusste, dass Adrian gar nichts anderes annehmen konnte. Dabei liebte sie ihn, hatte es ihm auch mehrfach eingestanden. Hatte er es überhaupt zur Kenntnis genommen? Er musste ja wirklich glauben, sie tat alles nur für ihre Firma.
Das Glücksgefühl, das sie noch vor einer Stunde in seinen Armen empfunden hatte, war verflogen. Die zärtlichen Stunden würden sich nie wiederholen. Sie war nur eine von den vielen Frauen, die Adrian irgendwann einmal besessen hatte – mehr nicht.
Automatisch zog sie sich an und fuhr ins Büro. Sie schloss auf, stellte die Kaffeemaschine an und machte überall Licht. Das Telefon klingelte. Vor Schreck ließ sie ihre Tasse fallen. Der Kaffee ergoss sich über den Schreibtisch und den Teppichboden.
Tom meldete, dass Doris krank sei. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Aber was sollte sie machen, sie wünschte gute Besserung und legte auf.
Mit einem Wischtuch kniete Nina nieder und versuchte, die Kaffeeflecken auszureiben. Da kam jemand herein. Nina wandte den Kopf und schloss einen Moment die Augen, als sie Tracy erkannte. Über dem Gespräch mit Judith und allem andern hatte sie völlig vergessen, dass Tracy heute kommen wollte.
„So sieht also die interessante Arbeit in einer Modellagentur aus“, rief Tracy lachend.
Nina setzte sich auf ihre Hacken. „Jeder muss unten anfangen“, erwiderte sie. Tracys Ähnlichkeit mit Adrian war so verblüffend, dass es fast schmerzte. Nina nahm sich zusammen.
Tracy sah jung und reizend aus in ihrem blauen Leinenkleid, besonders wenn sie lachte. Nina erhob sich und warf die Scherben der Tasse fort.
„Ein kleiner Unfall, wie Sie sehen. Ich war sehr ungeschickt. Ich bin heute allein und …“ Das Telefon klingelte.
In der nächsten halben Stunde war Nina vollauf damit beschäftigt, Anrufe zu beantworten. Es läutete pausenlos. Immer, wenn sie ein paar Worte mit Tracy gewechselt hatte, wurde sie unterbrochen.
Als es wieder läutete, sagte Tracy: „Lassen Sie
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