Das Beste aus 40 Jahren
überzeugend tun. „Ich hatte meinen Beruf, den ich liebte, und der bedingte, dass ich viel unterwegs war. Deshalb wollte ich nicht sofort ein Kind. Wir haben einfach beschlossen, ein bisschen zu warten.“
Es war keine richtige Lüge, aber doch nur die halbe Wahrheit. In Wirklichkeit hatten sie und Rico nie über eigene Kinder gesprochen. Über die wichtigen Dinge des Lebens hatten sie überhaupt nie diskutiert. Vor lauter Leidenschaft waren sie nie richtig zum Reden gekommen …
Rico wirkte nicht mehr angespannt und erwiderte leicht den Druck ihrer Hand. Anscheinend war er ihr für die gute Antwort dankbar.
„Es wundert mich, dass mein Bruder dir sozusagen Aufschub gewährt hat“, meinte Chiara schalkhaft. „Er ist doch ein typischer Sizilianer, der nur eins möchte: möglichst viele bambini , die ihm wie aus dem Gesicht geschnitten sind. Lass dich nicht täuschen, Anastasia! Er wird dich jetzt bestimmt jeden Tag schwängern. Oder jede Nacht.“
Anastasia errötete.
„Das reicht, Chiara!“, sagte Rico streng. „Ist dir heiß, meine Liebe?“, wandte er sich dann an Anastasia.
Ihr war nicht heiß, sondern sie war in Panik geraten. Weder sie noch Rico hatten an Verhütung gedacht! Rasch rechnete sie nach und kam zu dem Ergebnis, dass sie schon viel Pech haben müsste, um bereits schwanger zu sein. Oder Glück?
Bei dem Gedanken, ein Kind von Rico zu bekommen, wurde ihr warm ums Herz. Trotz all der Probleme zwischen ihnen und der Tatsache, dass die Beziehung keine Zukunft hatte.
Was für eine Närrin ich doch bin! tadelte sie sich im Stillen.
Chiara rieb sich die Arme mit Sonnenlotion ein. „Du hast von deinem Beruf in der Vergangenheitsform gesprochen“, bemerkte sie. „Hast du ihn denn inzwischen aufgegeben?“
Anastasia versuchte, nicht länger an eine mögliche – oder unmögliche – Schwangerschaft zu denken. „Nein, ich bin noch immer Malerin, allerdings mache ich jetzt keine Fresken mehr, sondern nur noch Bilder, deshalb brauche ich nicht mehr so viel zu reisen. Manchmal …“
Oh nein, beinah hätte sie jetzt gesagt, dass sie manchmal ihrer Mutter in deren Laden half! Und damit wäre die Katze aus dem Sack gewesen.
„Manchmal genieße ich es richtig, nur noch zu Hause zu sein … und kümmere mich sogar ein bisschen um den Haushalt“, beendete sie den Satz.
Zu mehr als „ein bisschen“ hatte sie sich nicht aufraffen können, seit sie Rico verlassen hatte. Zum Glück erforderte ihr kleines Haus keine großen Anstrengungen als Hausfrau!
„Ich wünschte, ich könnte malen.“ Chiara legte sich zurück und schloss die Augen. „Es klingt nach einer sehr entspannenden Tätigkeit.“
„Es kann aber auch sehr aufreibend sein“, warnte Anastasia. „Wenn ein Bild nicht auf Anhieb so wird, wie ich es mir vorstelle, macht mich das manchmal ganz rasend.“
„Trotzdem möchte ich es gern lernen. Würdest du es mir beibringen, liebste Schwägerin?“
Als Anastasia völlig verblüfft zu Chiara blickte, öffnete diese die Augen.
„Was ist denn? Warum siehst du mich so erstaunt an? Habe ich das Malen immer gehasst, oder was?“
Nicht das Malen, sondern mich, dachte Anastasia betroffen. Als sie Ricos eindringlichen Blick bemerkte, riss sie sich zusammen.
„Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht, Chiara. Wir haben früher nie darüber gesprochen.“
Das Mädchen stützte sich auf die Ellbogen. „Was habe ich denn gern getan?“
Das konnte Anastasia zwar beantworten, aber die Wahrheit hätte nur Schaden angerichtet.
„Was ein typischer Teenager eben gern tut“, antwortete sie ausweichend. „Musik hören, Klamotten kaufen, Freunde treffen.“
„Freunde …“ Chiara runzelte die Stirn. „Hatte ich denn auch einen richtigen Freund?“
„Unsinn!“, mischte Rico sich ein. „Dafür habe ich schon gesorgt. Viele deiner Freundinnen haben sich in Diskotheken und Clubs herumgetrieben, wo sie Alkohol getrunken und Männer aufgegabelt haben. Zu meinem Glück hattest du kein Interesse an derartigem Zeitvertreib.“
Anastasia wandte sich ab und blickte angelegentlich aufs Meer. Ihre Miene durfte keinesfalls verraten, wie sehr Rico sich irrte.
Nun setzte Chiara sich auf und legte die Arme um die angezogenen Knie. „Womit habe ich mir denn die Zeit vertrieben, lieber Bruder?“
„Du hast viel für die Schule gearbeitet und fleißig gelernt. Manchmal durftest du mit uns Erwachsenen zu Abend essen, wenn wir Gäste hatten.“
Und manchmal, ergänzte Anastasia im Stillen, hattest du die
Weitere Kostenlose Bücher