Das Beste aus 40 Jahren
dass du von hier ohne Schwierigkeiten zum Hotel zurückfindest. Wenn du dich verläufst, kannst du ja nach dem Weg fragen. Jeder Mann wird dir mit Freuden Auskunft geben oder dich hinbegleiten, dessen bin ich sicher.“
Ohne auf ihre Antwort zu warten, ritt er davon. Dianne blieb zurück und fühlte sich elender als jemals vorher in ihrem Leben.
Als sie damals in die Camargue gekommen war, hatte Dianne kurz vor ihrem Lehrerinnenexamen gestanden und selbstverständlich zugegriffen, als sich ihr die Möglichkeit bot, für drei Monate nach Frankreich zu gehen. Jetzt sah sie sich im Geiste vor sich, wie der klapprige Mietwagen plötzlich ins Schleudern geriet, weil die Steuerung versagt hatte, und sie sich im Straßengraben in der Nähe eines Zigeunerlagers wiederfand. Und dann war ein gut aussehender junger Mann aufgetaucht, hatte sie aus dem Graben geholt und sie zu seiner Großmutter gebracht. Der junge Mann war natürlich Manoel gewesen – und die Großmutter niemand anders als Gemma.
Von Anfang an waren sie und Manoel so glücklich gewesen, dass sie nicht mit Fragen daran zu rühren wagte. Von der strengen, Ehrfurcht gebietenden alten Frau, seiner Großmutter, ermutigt, hatten sie die meiste Zeit zusammen verbracht. Es waren bezaubernde Tage von leuchtender Schönheit gewesen. Erst später erfuhr sie, dass Manoels Eltern verreist waren und er sich deshalb bei Gemma im Lager der Zigeuner aufgehalten hatte.
Aber auch nachdem Monsieur und Madame St. Salvador wieder zurückgekehrt waren und Dianne allmählich zu begreifen begann, was man von ihm erwartete und wie unhaltbar ihre eigene Situation war, hatte Manoel sich weiterhin mit ihr getroffen und sich durch nichts und niemand von ihr trennen lassen. Dianne hatte seine Eltern und Louise, seine vierzehnjährige Schwester, kennengelernt. Sie war entsetzt gewesen, wie eisig die Eltern sich ihrem einzigen Sohn gegenüber verhielten.
Später hatte sie auch Yvonne Demaris kennengelernt. Madame St. Salvador und Yvonne hatten ihr unmissverständlich klargemacht, dass Manoel Yvonne heiraten musste. Sie waren einander von Kindheit an versprochen, und niemand, besonders keine kleine dumme Gans aus England, würde diese Ehe verhindern.
Aber Manoels Eltern hatten bei ihren Plänen Gemma außer Acht gelassen. Gemma war eine Kraft, die sich nicht so leicht beiseiteschieben ließ. Sie lebte am Rande des Mas St. Salvador in ihrem Wohnwagen, sorgte dafür, dass die Verbindung zwischen Manoel und Dianne nie abriss und sie sich immer wieder treffen konnten. Sie wusste, es würde früher oder später doch nach ihrem Willen gehen.
Obwohl Dianne Manoel verzweifelt liebte, brachte sie es nicht über sich, seine Geliebte zu werden. Und Manoel wusste zwar, dass es letzten Endes in seiner Macht lag, ihre Abwehr zu durchbrechen, drängte sie merkwürdigerweise jedoch nie. Sie liebte ihn um seiner Zurückhaltung willen, die ihm unendlich schwerfallen musste, nur noch mehr. Sie waren an einem Punkt angelangt, wo sie einander verlangten. Dianne träumte davon, dass Manoel sich eines Tages seinen Eltern widersetzen und mit ihr durchbrennen würde.
Die langen, heißen Tage waren eine ununterbrochene Folge von Festlichkeiten. Nächte mit Tanz und Musik, Nächte mit rotem Wein, an offenen Feuern getrunken. Sie hatten auf Manoel und Dianne ganz die von Gemma beabsichtigte Wirkung, sodass sie ihren Gefühlen schließlich beinahe hilflos ausgeliefert waren. In Manoels Adern floss Zigeunerblut, und die heißen Sommertage hatten Diannes schlanke Glieder gebräunt, sodass sie einer bronzefarbenen, verführerischen Hexe glich. Er ließ sie keine Sekunde aus den Augen. Er war wahnsinnig in sie verliebt, und ihre Beziehung steuerte auf eine Krise zu.
Gemma hätte darüber nicht erfreuter sein können. Manoel war der Mittelpunkt ihrer Welt, ihr geliebter Enkel, Blut von ihrem Blut, Erbe des Mas St. Salvador. Sie dachte gar nicht daran, ihn an einen kalten, berechnenden Weibsteufel zu verheiraten, und das war Yvonne Demaris in ihren Augen.
An dem Nachmittag, an dem in Arles die Prozession abgehalten wurde, nahm Manoel Dianne zu einem Stierkampf in die Arena mit. Es war ein glühend heißer Nachmittag, und der Geruch des Todes, der in der Luft hing, mischte sich mit der Ausdünstung unzähliger vor Hitze und Erregung schwitzender Körper. Es war ein Nachmittag, an dem jeder das primitive Drängen des Blutes spürte, und Dianne litt zudem unter dem Wissen, dass ihre Zeit in der Provence allmählich zu
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