Das Beste aus 40 Jahren
entschied sich für die zweite Version, die sagte ihr besser zu. Der Gedanke, einem Mann mittleren Alters zu begegnen, der eine nette Frau und ein paar hübsche Kinder hatte, war weniger beunruhigend als das Bild, das sich in ihrem Kopf zu formen begonnen hatte.
Beunruhigend? Sie hatte aufgehört, sich vor irgendetwas zu fürchten. Mit siebzehn Jahren fand sie heraus, dass ein strahlendes Lächeln und ein offener Blick aus tiefblauen Augen auch das kälteste Herz zum Schmelzen bringen konnten. Bei Adrian Thornton würde es wohl nicht anders sein.
Nina parkte ihren Wagen auf dem Privatparkplatz des Thornton-Hochhauses. Beim Aussteigen fiel ihr der luxuriöse, silbergraue Porsche auf, der nebenan stand. „Adrian Thornton“ las sie auf dem Schild an der Hauswand. Sie krauste die Stirn. Ein Mann, mittleren Alters mit lieber Frau und netten Kinderchen – würde der einen solchen Wagen fahren? Es sah so aus, als müsste sie ihre Vorstellung von ihm ändern. Also doch beunruhigend?
Ach was; ärgerlich schlug sie die Autotür zu. Sie hatte keine Zeit, sich ständig Gedanken über diesen Mann zu machen, zu viele wichtige Dinge warteten auf sie in ihrem Büro. Je eher sie wieder zurückkam, umso besser.
Das Gebäude dieser Firma war ebenso groß wie das, in dem Nina lediglich drei Büroräume gemietet hatte. Die riesige Empfangshalle hatte einen schilfgrünen Teppichboden, der alle Geräusche dämpfte. Hinter dem Empfang lächelte ihr eine junge Frau entgegen, die so hübsch zurechtgemacht war, dass Nina sie vom Fleck weg für sich als Modell engagiert hätte. Überhaupt schien dieses Haus von attraktiven Frauen zu wimmeln. Das Mädchen am Lift war reizend und die Empfangssekretärin von Adrian Thornton nachgerade eine Schönheit.
„Was kann ich für Sie tun?“, flötete sie und bewegte fast unmerklich ihre Schultern, um die langen roten Haare nach hinten zu werfen. Sie hatte kühle graue Augen, und das blassgrüne, eng anliegende Seidenkleid passte nicht nur dazu, es lag auch hauteng um ihren Körper. Nina nannte ihren Namen.
„Nehmen Sie bitte Platz, Miss Faulkner. Ich werde Mr Thornton melden, dass Sie da sind.“
Langsam ging Nina auf eine Sitzgruppe zu und ließ sich nieder. An den Wänden hingen riesige Poster, die die Produkte der Firma darstellten. Nina war froh, sich gesetzt zu haben, denn nach zehn Minuten befand sich die Sekretärin immer noch in Mr Thorntons Büro.
Nach weiteren fünf Minuten erschien sie endlich.
„Mr Thornton lässt jetzt bitten“, sagte sie sachlich, als wäre es ganz selbstverständlich, dass sie Nina fünfzehn Minuten hatte warten lassen. Nina sah auf ihre Uhr. Es war Punkt elf Uhr dreißig. So war das also. Plötzlich wurde ihr bewusst, was ihr bevorstand.
Sie erhob sich und folgte der Sekretärin.
„Miss Faulkner“, stellte die Sekretärin vor, ließ Nina an sich vorbeigehen und schloss leise hinter ihr die Tür.
Wem war sie vorgestellt worden? Niemand schien da zu sein. Es war das eleganteste Büro, das sie je gesehen hatte. Rechts von ihr, um einen niedrigen Teakholztisch gruppiert, vier schwarze große Ledersessel, eine in einen Teakholzschrank eingebaute Bar, sehr gut bestückt, wie sie feststellte, und ihr gegenüber ein imposanter Schreibtisch aus dem gleichen Holz. Dahinter stand ein weiterer schwarzer Ledersessel, dessen Rückseite ihr zugewandt war.
Der spiralförmig aufsteigende Rauch einer Zigarre deutete an, wo Adrian Thornton saß, wenn er auch anscheinend keine Eile hatte, ihre Anwesenheit zu bemerken.
Plötzlich drehte sich der Sessel.
„Diesmal haben Sie es also geschafft, pünktlich zu sein, Miss Faulkner.“ Seine tiefe Stimme klang leicht ironisch und war noch eindrucksvoller als am Telefon. Doris wäre begeistert gewesen.
Eindrucksvoll, ja, so konnte man die Erscheinung dieses Mannes nennen. Sehr männlich, fand Nina. Ein kantiges Gesicht mit kühn vorspringender Nase, intensiv blauen Augen unter breiten schwarzen Brauen. Von der Nase gingen markante Linien zum Mund. Er musste etwa Ende dreißig sein. Das volle Haar hatte an den Schläfen einen leichten Grauschimmer.
Seine Hände, die er auf die Schreibtischplatte gelegt hatte, waren schmal, mit langen Fingern. In der einen Hand hielt er ein dünnes langes Zigarillo, das angenehm duftete.
Nina hatte das Gefühl, als hätte sie ihn eine Ewigkeit angestarrt, doch es waren nur Sekunden. Aber auch sie war von ihm eingehend gemustert worden. Sein forschender Blick, der ihr unter die Haut ging,
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