Das Beste aus 40 Jahren
Feminines, Sinnliches.
Sie war selbst einmal Modell und Mannequin gewesen, doch diese Arbeit hatte sie nicht befriedigt, füllte sie nicht aus. Ihr reger Intellekt brauchte Abwechslung. Nun, jetzt hatte sie die gewünschte Abwechslung. Sie musste sich mit einem der erfolgreichsten und stärksten Männer der Kosmetikbranche auseinandersetzen. Ihre ganze Existenz hing davon ab, ob sie dieses Treffen zu ihren Gunsten entscheiden konnte.
Kritisch prüfte sie ihr Aussehen in der großen Spiegelwand, die sie hatte anbringen lassen, um dem Büroraum mehr Tiefe zu geben. Sie wirkte so ruhig und gelassen wie immer. In dem hellen, taillierten Schneiderkostüm mit der schwarzen Seidenbluse sah sie weiblich und doch distinguiert aus. Die hochhackigen Lackpumps machten ihre langen Beine bemerkenswert attraktiv.
Wenn es sein musste, konnte sie immer noch als Mannequin arbeiten. Aber das wollte sie ja nicht. Sie hatte nie den Ehrgeiz gehabt, sich als schillerndes Topmodell einen Namen zu machen, obwohl sie durchaus die Begabung und das Aussehen dazu besaß.
Hatte sie den Anruf von Adrian Thornton vielleicht doch überbewertet? Möglicherweise wollte er mit ihr nur über die Beauty-Girl-Werbung sprechen. Sie überprüfte ihr Make-up. Die Lidschatten waren in Ordnung, nur noch ein wenig Tusche auf die Wimpern, etwas hellen Puder und einen Tupfer Rouge auf die Wangen und reichlich Lippenstift. Der Mund wirkte wie ein Anziehungspunkt in ihrem Gesicht.
Da kam Doris herein. „Fertig“, rief sie und ließ den Stapel noch halbfeuchter Blätter auf ein Sideboard gleiten. „Dieses grässliche Kopiergerät war schon wieder kaputt. Es wird eine Ewigkeit dauern, bis ich den Stapel geordnet habe.“
Nina hatte Verständnis für die Klagen der Freundin. Wie oft war sie selbst schon über das Gerät verzweifelt gewesen.
„Ich bin unterwegs, Doris“, sagte Nina leise. „Verabredung mit Mr Thornton.“
„In Ordnung, ich werde – du meine Güte, Mr Thornton!“
Doris drehte sich mit verzweifelter Miene zu Nina um. Sie war eine zierliche blonde Frau, sehr hübsch und mit erlesenem Geschmack gekleidet. Heute trug sie einen rosaroten seidenen Hosenanzug, der ihr vorzüglich stand.
„Oh Nina!“ Doris schloss die Augen und legte die Hände über ihr Gesicht. „Das habe ich völlig vergessen. Er rief gestern Abend an, als ich gerade gehen wollte. Da habe ich den Termin in deinen KaIender geschrieben und dir nichts mehr davon gesagt. Ich bin ganz durcheinander. Tom hat die Grippe.“ Doris sprach von ihrem Mann. „Den ganzen Abend bin ich für ihn hin- und hergelaufen …“
„Beruhige dich“, beschwichtigte Nina sie, „es ist ja nichts passiert.“ Sie untertrieb und wollte nicht daran denken, wie der Empfang bei Adrian Thornton ausfallen würde. „Wir haben uns bereits für später verabredet.“
„Ich hoffe, die Unterredung hat nichts mit Judith zu tun“, sagte Doris beunruhigt. „Heute Morgen hat sie schon wieder einen Fototermin nicht eingehalten.“
„Du lieber Gott“, stöhnte Nina. Sich heute auch noch mit Judith auseinandersetzen zu müssen, das war zu viel.
Als Jason Dillman ihr mitteilte, dass Judith als „Beauty-Girl“ ausgewählt worden war, hatte sie bereits vor Judiths Unzuverlässigkeit gewarnt. Mr Dillman allerdings meinte, niemand anders käme infrage, und die Entscheidung sei direkt von Adrian Thornton getroffen worden. Hätte sie mit dem obersten Chef diskutieren sollen?
Doris nickte betrübt. „Jake rief heute Morgen an. Du warst so in deine Rechnungen vertieft, dass ich dich nicht stören wollte. Also rief ich sofort in Judiths Wohnung an, aber sie war nicht da. Leider ist es nicht das erste Mal, dass Judith wichtige Termine platzen lässt.“
„Ich weiß. Judith wird langsam zu einem Problem“, erwiderte Nina nachdenklich.
Auch das könnte der Grund sein, weshalb mich Mr Thornton sprechen will, überlegte sie.
„Judith war schon immer ein Problem.“ In Doris’ Ton klang Missbilligung mit. Sie begann die Fotokopien zu sortieren. „Ich habe dich davor gewarnt, sie das ‚Beauty-Girl‘ werden zu lassen.“
Nina hatte nichts gegen die Kritik. Sie und Doris hatten in den achtzehn Monaten gemeinsamer Arbeit erkannt, wie sehr sie sich gegenseitig brauchten. So waren sie zu einer engen freundschaftlichen Partnerschaft gekommen. Und so sollte es auch bleiben. Da sie beide allein diese Modellagentur führten, waren sie aufeinander angewiesen.
Auch in Bezug auf Judiths Wahl zum
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