Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)
unterhalten.
Ich nannte dem Taxifahrer die Adresse meiner Eltern und hoffte, dass ich dabei nicht lallte. Die Sonne stand immer noch unangenehm hoch am Himmel, und es war mir peinlich, an einem Sonntagnachmittag so betrunken zu sein. Als ich auf den Rücksitz rutschte, holte ich mein Smartphone aus der Tasche und stellte zu meiner Überraschung fest, dass gerade jemand auf meine Mailbox gesprochen hatte. Ich hob das Telefon ans Ohr und versuchte, den galligen Geschmack zu ignorieren, der in meiner Kehle aufstieg, während das Taxi an allen Stoppschildern vorbei geradewegs in den Himmel hinaufzurasen schien.
Hi, Julia. Hier ist Annie , begann die Nachricht. Ich habe es mir nochmal überlegt. Ich bin dabei. Das mit dem Cupcake-Café ist eine gute Idee. Ruf mich an.
Mir klappte die Kinnlade herunter, und ich schlug aufgeregt mit der Faust auf den zerrissenen Ledersitz. Doch weder das eine noch das andere konnte die Leichtigkeit, die sich plötzlich wie Helium in meiner Brust ausbreitete, adäquat zum Ausdruck bringen, und so brüllte ich unwillkürlich ein lautes »JAAAA!« in die Welt hinaus – ein kurzer Anfall von Selbstvergessenheit, in dem mir völlig gleichgültig war, was der Taxifahrer oder irgendjemand sonst von mir denken könnte.
Juli
3 – Annie
Als ich mich an einem der ersten Julitage im dichten Morgennebel auf den Weg in die Valencia Street Bakery machte, plagten mich immer noch Zweifel an meiner Entscheidung, mit Julia in ein Geschäft einzusteigen. Natürlich ahnte ich da noch nicht, wie lang der Schatten unserer gemeinsamen Vergangenheit sein würde und welche verhängnisvollen Entwicklungen ich damit in Gang setzte. Wenn ich mir einen Sündenbock suchen wollte, und das wollte ich später oft, dann könnte ich wohl behaupten, dass Beccas spitze Zunge an allem schuld war. Becca und diese Flasche – na ja, okay, es waren mehrere Flaschen – von dem viel zu guten Sonoma Cabernet.
Am Tag nach der Benefizparty hatte ich Julias unverschämten Anruf erst einmal verdrängt und meine vierbeinigen Schützlinge nacheinander wieder bei ihren jeweiligen Besitzern abgeliefert. Dann ging ich in die Capp Street, wo ich mit Becca zu unserem traditionellen Gammelsonntag in ihrer Wohnung verabredet war. Seit Becca mit ihrem Freund Mike zusammengezogen war, weigerte er sich zu ihrem Leidwesen, die unzähligen TrashTV-Shows anzuschauen, von denen sie gar nicht genug bekommen konnte. Also hatte sie sich den »Gammelsonntag« ausgedacht: Zweimal im Monat räumte Mike das Feld, damit wir den ganzen Nachmittag im Wohnzimmer herumhängen und uns von den Realityshows, die Becca aufgezeichnet hatte, berieseln lassen konnten. Dabei leerten wir für gewöhnlich ein oder zwei Flaschen Wein. An besagtem Sonntag waren es allerdings drei – ein schrecklicher Fehler, wie wir uns später eingestehen mussten.
»Und, wie war es bei Monsieur und Madame Crème de la Crème?«, fragte Becca, als sie uns das erste Glas des Nachmittags einschenkte.
Becca und ich hatten uns ein Apartment im Studentenwohnheim geteilt. Die erste Zeit verlief nicht gerade herzlich. Ihre ursprüngliche Mitbewohnerin, ein Mädchen aus dem Mittleren Westen, hatte nach wenigen Wochen aus Heimweh das Handtuch geschmissen, und so hatte Becca beide Zimmer für sich allein gehabt. Mit diesem Luxus war es natürlich vorbei, als ich mitten im laufenden Studienjahr mit einem Brief des Studentenwerks vor der Tür stand. Das Eis brach erst, nachdem wir vereinbart hatten, unseren Erstsemesterspeck mit Joggen loszuwerden, und uns stattdessen hinter der Umkleide auf dem Sportplatz einen Joint drehten, den wir mit einem altmodischen Drei-Kugeln-mit-Sahne-Eisbecher in der Eisdiele auf dem Campus krönten. Im Vergleich zu meiner Highschool-Zeit, in der ich von Jahr zu Jahr mehr zu kämpfen gehabt hatte, war Berkeley eine echte Erholung. Unter den lockeren Dozenten und den vielen ganz unterschiedlichen Studenten, bei denen jeder einfach so sein konnte, wie er war, fühlte ich mich endlich wohl in meiner Haut. Plötzlich war ich von interessanten, klugen Menschen umgeben, denen die Marke meiner Handtasche, die Form meines Hinterns oder Herkunft und Beruf meines Urgroßvaters schnurzegal waren. Ich wusste zwar, dass es solche versnobten Zirkel überall gab, auch in Berkeley, aber an der Uni war es viel leichter, ihnen aus dem Weg zu gehen, ohne dadurch zum Außenseiter zu werden. In Berkeley war die Welt viel bunter. Obwohl San Francisco gleich am anderen Ende der Bay
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