Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)
steuern, bevor ich meinen Kopf auf das Lenkrad sinken ließ. So allein hatte ich mich wohl noch nie in meinem Leben gefühlt.
Nach einer halben Ewigkeit beruhigte ich mich wieder. Im Rückspiegel sah ich, dass ich unter den Augen bläuliche Ringe hatte, und meine Wangen wirkten fahl und rau. An der Schläfe hatte ich einen kleinen Fleck, der mir vorher noch nie aufgefallen war. Und älter werde ich auch noch . Ich seufzte. Was würde meine Mutter wohl sagen, wenn sie meine Haut in diesem Zustand sähe? Lolly St. Clair, die jeden Monat einen festen Termin beim Dermatologen hatte und jeden Fleck, jedes Muttermal, jedes noch so kleine Pünktchen auf der Haut sofort entfernen ließ? Meine Mutter hielt diese kleinen Unregelmäßigkeiten für die ersten Vorboten des Sensenmanns. Wer will schon am eigenen Leib daran erinnert werden, dass der Tod längst seine Klinge wetzt? , fragte sie und schüttelte voller Abscheu den Kopf, wenn sie mir von dieser oder jener Freundin erzählte, die sich keine Gedanken über die Altersflecken an ihrem Dekolleté machte.
Ich war eindeutig nicht in der Verfassung, mich mit meiner Mutter zu treffen. Aber wenn ich nicht zu dem Termin mit dem Fotografen fuhr, wohin sollte ich dann?
Der 500 Club an der Kreuzung Guerrero/Seventeenth Street war eine einfache Eckkneipe, die Jake Logan vorschlug, als ich ihm sagte, wo ich war. Das Lokal war dunkel und fast leer, und vor allem musste ich nicht befürchten, hier jemandem zu begegnen, den ich kannte. Mit anderen Worten, es war ideal.
»So sollten wir uns immer treffen«, sagte Jake und nahm mir gegenüber Platz. Der Scotch in seiner Hand roch süß und erdig, als er sich über den Tisch beugte, um mich auf die Wange zu küssen. Wir hatten uns seit dem Tag im Balboa Café im Juni nicht mehr gesehen; der zeitliche Abstand zwischen diesen spontanen Verabredungen gab mir das willkommene Gefühl, auch mal aus meinem durchgeplanten Alltag ausbrechen zu können. »Welchen Termin schwänzen wir heute?«
»Den Fotografen. Aber das kann ich ruhig meiner Mutter überlassen. Sie weiß, was ich will.«
Jakes blaugrüne Augen verengten sich. »Und weißt du es auch?«
»Hm?« Ich nippte an meinem Drink und sah zur Bar hinüber. Auf einem der Hocker ganz am Ende des Tresens saß ein bärtiger Riese in einer ledernen Bikerjacke, einen zufrieden hechelnden weißen Shih Tzu neben sich.
»Weißt du, was du willst?«, fragte Jake. »Man braucht keine detektivischen Fähigkeiten, um festzustellen, dass du dich vor allem drückst, was mit deiner Hochzeit zu tun hat. Versteh mich nicht falsch, ich finde diese unbekannte Seite von Julia St. Clair super. Wie du dich gehenlässt«, er grinste, »das ist echt sexy.«
»Jetzt mach mal halblang«, sagte ich. Ich hatte vergessen, dass er manchmal etwas too much sein konnte. Als ich meinen Drink mit einem Schluck leerte und das Glas abstellte, blieb mein Pulloverärmel kurz am Tisch kleben.
»Ehrlich, ist alles in Ordnung?«, fragte er.
»Ja doch.« Mit einem Seufzen winkte ich dem Barkeeper, aber der zuckte nur mit den Achseln und wandte sich ab. Offenbar musste man sich seine Getränke hier selbst holen. Jake ging mit meinem Glas an die Bar, um es nachfüllen zu lassen, und setzte sich dann neben mich. »Danke«, sagte ich und umklammerte das eiskalte Glas.
»Bitte«, sagte er. »Also nochmal von vorn. Ich habe das Gefühl, die Rolle der besorgten Trauzeugin spielen zu müssen. Tun wir einfach so, als hätte ich gerade zweihundert Dollar für einen hässlichen gelben Taftfetzen ausgegeben, in dem ich Mäusetitten und einen Pferdearsch habe. Jetzt musst du mir die Wahrheit sagen, das bist du mir schuldig. Hast du Zweifel an der ganzen Sache?«
»Was? Nein«, sagte ich. Mir fiel selbst auf, wie wenig überzeugend das klang. »Außerdem würde ich nie zulassen, dass jemand wegen mir Taftkleider trägt.«
Jake lächelte. »Ich weiß zwar nicht, in welchem Gefühlschaos du gerade steckst, aber es macht es bestimmt nicht leichter, deinen gut aussehenden ersten Lover wieder um dich zu haben.«
»Ha, ha«, sagte ich trocken, doch ich konnte nicht umhin, ihn voller Zuneigung anzusehen. Er war wie ein ausgelassenes Hundebaby, das man einfach süß finden musste, auch wenn es gerade auf den neuen Teppich gepinkelt hatte. Hatten wir jemals übers Heiraten gesprochen? Ich konnte mich an nichts dergleichen erinnern. Puh, nochmal davongekommen , dachte ich bei mir. Und trotzdem – seine Gesellschaft versetzte mich zurück in eine
Weitere Kostenlose Bücher