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Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)

Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)

Titel: Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Donohue
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würde. Der Wagen war zwar erstaunlich sauber und rostfrei für sein Alter, doch Stoßdämpfer schien er nicht zu haben. Nach einer Stunde Fahrt fühlte mein Hintern sich an wie das Gesicht von Mike Tysons Sparringspartner nach einigen Runden im Ring. Dazu kam, dass Ogden die Luft mit dem unverwechselbar penetranten Hundeatem-Geruch seiner Rindfleischstreifen verpestete und mich mit seinen heiteren Geschichten aus dem Leben eines Biobauern so sehr langweilte, dass ich am liebsten laut losgeheult hätte. Es war wirklich höchste Zeit für ein bisschen frische Landluft.
    In San Francisco war jede Küchenchefin, die etwas auf sich hielt, mit ihren Fischern und Landwirten per Du, und in diesem kulinarischen Mikrokosmos hatte der Name Ogden Gertzwell ein gewisses Prestige. Jeder wusste, dass die Feigen, Äpfel, Birnen, Persimonen und Zitronen der Gertzwell Farm das Beste waren, was die Bay Area zu bieten hatte, aber ich hatte Ogden noch nie persönlich kennengelernt – bis zu diesem Tag, als er mich mit seinem Pick-up zu einer Besichtigungstour abholte. Für die Valencia Street Bakery waren die Gertzwell-Produkte viel zu teuer, doch die Treat Cupcakery konnte sich die astronomischen Preise für asiatische Birnen aus biologisch-dynamischem Anbau locker leisten. Zumindest hatte ich das so entschieden. Ich hatte eine geradezu diebische Freude daran, all die Lieferanten anzurufen, die ich in den vergangenen sechs Jahren im Auftrag verschiedener mickriger Gastronomiebetriebe durchtelefoniert hatte, ohne mit ihnen ins Geschäft gekommen zu sein. Endlich konnte ich in die Vollen gehen; selbst die kostspieligsten Zutaten würden sich auf Julias Bankkonto kaum bemerkbar machen.
    Von Kolleginnen hatte ich schon gehört, dass Ogden Gertzwell etwas exzentrisch veranlagt war, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass er potenzielle Kunden vor Vertragsabschluss zu einer Tour auf seiner Farm verpflichtete. Zunächst war ich mit dieser Bedingung auch ganz und gar einverstanden. Es war ein wunderschöner Herbsttag, sonnig und windstill, und je weiter wir nach Norden und ins Landesinnere kamen, desto wärmer wurde es – das ideale Wetter für eine kleine Spritztour und einen anschließenden Spaziergang zwischen Obstbäumen. Beziehungsweise es wäre ideal gewesen, wenn mein Begleiter sich nicht als überaus redseliger Fleischliebhaber entpuppt hätte. Ogden, ein kräftiger, muskulöser Mann mit sandbraunem Haar und einer markanten Nase, deren braun gebrannte Haut sich wie bei einem Zehnjährigen schälte, konnte kaum älter als Mitte dreißig sein, aber er quasselte auf mich ein wie ein einsamer alter Mann, der überglücklich war, dass seine Zuhörerschaft zur Abwechslung mal nicht nur aus Bäumen und Erdklumpen bestand. Sein Mund war ständig in Bewegung – wenn er nicht kaute, dann redete er, wobei das eine das andere nicht ausschloss. Sobald er seinen Monolog kurz unterbrach, um Luft zu holen, machte ich eine nichtssagende Bemerkung zu diesem oder jenem. Ich wollte damit eigentlich nur Aufmerksamkeit signalisieren, doch er fiel mir immer sofort ins Wort und widersprach jedem Einzelnen meiner nett gemeinten Kommentare so heftig, dass ich es irgendwann aufgab und seinen Redeschwall genauso stumm über mich ergehen ließ wie das Gerüttel und Geschüttel des Pick-ups.
    »Da wären wir!«, verkündete Ogden plötzlich und riss am Lenkrad, um in letzter Sekunde in einen Schotterweg abzubiegen.
    Ich wurde bei diesem abrupten Manöver gegen die Tür geschleudert und rieb meine schmerzende Schulter, während wir den Feldweg entlangrumpelten. Schließlich hielten wir vor einem kleinen, gepflegten, butterblumengelben Farmhaus mit Solardach, das im gleißenden Sonnenlicht glitzerte. Noch bevor die Staubwolke sich gelegt hatte, sprang Ogden vom Fahrersitz, stiefelte um den Wagen herum und riss meine Tür auf. Offensichtlich animierte ihn der Anblick seines Bauernhofs dazu, als Gentleman-Farmer aufzutreten.
    »Willkommen auf der Gertzwell Farm«, sagte er und streckte mir eine seiner Pranken hin. »Endlich kann ich nach Herzenslust mit den Früchten meiner Arbeit protzen.«
    Oje , dachte ich beim Aussteigen. Der Wortwitz eines Obstbauern. Vorsichtig streckte ich meine geschundenen Glieder aus und versuchte, mir möglichst unauffällig den Hintern zu massieren.
    Die Gertzwell Farm war fünfundzwanzig Hektar groß, und gut ein Zehntel davon erkundeten wir zu Fuß. Ich hatte den Eindruck, dass Ogden am liebsten die gesamte Fläche abgelaufen wäre.

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