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Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)

Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)

Titel: Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Donohue
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Unter der sengenden Sonne sah die Erde viel zu trocken aus, um irgendetwas hervorzubringen, doch wir marschierten an schier endlosen Reihen niedriger, knorriger Obstbäume mit grauer Rinde vorbei, die über und über mit dunkelroten oder blassgrünen Früchten beladen waren. Ogden zeigte mir Äpfel mit wunderschönem, rosigen, sonnenverwöhnten Rotschimmer und pflückte zum Vergleich ein Exemplar mit schwarzen Pünktchen – ein nicht besonders schöner, aber trotzdem harmloser Schimmelbefall, der Ogden zufolge unvermeidlich war, wenn es im Juni regnete.
    »Entweder man nimmt diese schwarzen Flecken in Kauf, oder man entscheidet sich für Äpfel, die zwölfmal mit Pestiziden besprüht worden sind«, sagte Ogden. In seinem arroganten Ton schien mir ein gewisser Zwang zur Rechtfertigung mitzuschwingen. »Das ist jedem selbst überlassen. Aber wer perfekt aussehende, giftige Äpfel sucht, für den ist die Gertzwell Farm nichts. Uns geht es um Geschmack und Nachhaltigkeit, und wie wir alle wissen, gehören diese beiden Aspekte untrennbar zusammen.« Ich ließ ihn reden und stellte mir vor, wie die Biobauern in der Region wie frustrierte Kinder mit den Füßen stampften, wenn die Luft im Juni unheilvoll feucht und drückend wurde.
    In der nächsten Reihe hingen die Äste voll mit Birnen, die so groß und schwer wie Dinosauriereier waren. Ogden streckte sich und pflückte mit einer überraschend anmutigen Drehbewegung eine blassgrüne Frucht, wobei er den kostbaren Stiel für den Neuwuchs am Baum ließ, wie er mir zuvor erklärt hatte. Als er den Arm hob, klappte sein Ärmelaufschlag um, und eine alte Narbe kam auf der braun gebrannten Oberseite seines Unterarms zum Vorschein. Ich fragte mich, wie weit sie den Arm wohl hinaufgehen mochte. Ogden zückte ein Taschenmesser und schnitt mir ein Stück Birne ab.
    Sie war knackig und erfrischend, mehr wie ein Apfel als eine Birne. »Sehr lecker«, sagte ich und wartete auf den subtilen Nachgeschmack, bevor ich mein Urteil abgab. »Süß, aber auch angenehm herb.«
    »Herb? Wohl kaum«, sagte Ogden mit gerunzelter Stirn und nahm einen Bissen. »Ich glaube, du schmeckst einen Hauch Zitrone.«
    Fast hätte ich die Augen verdreht, doch ich riss mich zusammen. Allmählich gewöhnte ich mich an Ogdens belehrende, rechthaberische Art, was nicht hieß, dass ich sie sympathisch fand. Er war eindeutig einer dieser nervtötenden Hobbygourmets, die ununterbrochen übers Essen redeten. Und das sagte ausgerechnet ich als Bäckerin, die für Früchte aus biologisch-dynamischem Anbau stundenlang durch die Gegend fuhr! Die Qualität seiner Produkte war jedenfalls nicht zu leugnen.
    »Das ist die ›Twentieth Century‹ – eine asiatische Birne«, sagte Ogden und reichte mir großzügig ein weiteres Stück. »Meine Lieblingssorte.« Währenddessen dachte ich schon über einen Birnen-Zimt-Cupcake mit einem zartschmelzenden Kern aus Bourbonvanille-Creme nach.
    »Die Farm gehörte vor Urzeiten mal meinem Vater«, erzählte Ogden, als wir weitergingen. »Aber er hat sie total heruntergewirtschaftet. Er erwartete einfach zu viel von allem und jedem. Er war nicht gerade ein feinfühliger Typ.«
    Überrascht sah ich zu Ogden hinüber. Kein feinfühliger Typ . Erzählte er mir die Geschichte der Farm oder die seiner Kindheit? Wahrscheinlich war es für ihn ein und dasselbe. Ich betrachtete ihn in der gleißenden Nachmittagssonne. Aus seinem Hemd lugten oben ein paar Brusthaare hervor, mit vereinzelten grauen Härchen dazwischen. Seine buschigen Brauen waren blonder als sein Haupthaar und überschatteten die braunen Augen, deren Wimpern so lang waren wie die einer Kuh. In einem anderen Leben hätte er Football-Trainer an einer Highschool im Speckgürtel von San Francisco sein können, kumpelhaft und gebräunt und gepflegt-leger gekleidet anstatt todernst, sonnenverbrannt und in verschwitztem Hemd.
    »Bei Insektenbefall hat Dad die Haine immer sofort mit Pestiziden besprüht. Dass diese winzigen Lebewesen von ihrem Biotop vielleicht sogar gebraucht würden, dass die Insekten, das Land, die Jahreszeit und die Früchte alle in einem harmonischen Gleichgewicht zueinander stehen könnten, dieser Gedanke ist ihm nie gekommen.« Ogden lachte bitter auf. »›Harmonisches Gleichgewicht‹, das sind zwei Wörter, die mein Vater sowieso niemals benutzt hätte, weder einzeln noch in Kombination.«
    »Wie auch immer«, fuhr er fort, »zum Glück für dieses Land ist er jung gestorben. Das war vor ungefähr zwanzig

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