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Das Bett

Titel: Das Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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mehr an die Juden richten, sondern an die Heiden, die apostolischen Briefe des Paulus ohnehin, und die Visionen des Johannes sind eh griechisch-gnostisch inspiriert.« Ines war gewohnt, daß die Erklärungen des Monsignore mit Erörterungen begannen, an denen |223| ihr die Teilnahme versagt war. Um so ehrenvoller empfand sie, daß der Monsignore dies nicht zu bemerken schien, und sie erlaubte sich deshalb ein zustimmendes Nicken, als ob ihr der Kampf zwischen Judenchristen und Heidenchristen von früh auf ein täglich Brot gewesen sei. »Das hat auch einen Grund«, fuhr der Monsignore fort, »diese Abstinenz, Paulus sagt es selbst: ›Ganz Israel wird erlöst werden.‹ Es hilft nichts, an diesem Satz herumzudeuteln und sogar zu behaupten, mit dem Namen Israel seien symbolisch alle Gläubigen oder alle Gerechten oder was der Teufel auch immer gemeint. Israel heißt hier Israel und sonst nichts. Die Juden, alle Juden, werden erlöst werden, die Geschichte ihres Heils und die Heilsgeschichte der restlichen Menschheit laufen grundsätzlich verschiedene Bahnen. Ganz grob gesagt: Durch göttlichen Gnadenakt bedürfen die Juden des Erlösungswerks im Grunde nicht. Sie sind von Anbeginn so weit, wie es die andern erst nach der Taufe sein können.«
    Diesen Satz verstand Ines Wafelaerts. Sie straffte vor Erstaunen ihren Oberkörper und öffnete ihren Mund, als ob sie – ungewöhnlich genug – Widerspruch leisten wolle, was sie natürlich keineswegs getan hätte. Wäre irgendein Laut über ihre Lippen gekommen, hätte es sich nur um einen Entzückensruf handeln können, daß der Monsignore sie niemals enttäuschte, wenn es darum ging, Thesen zu hören, die nirgendwo sonst angeboten wurden.
    »Sie können das übrigens auch vom Mariologischen her entwickeln«, fügte der Monsignore hinzu. »Die Vorbereitungen zur Verkündung des Dogmas der Unbefleckten Empfängnis haben die Lehrgedanken ja sehr schön zusammengefaßt. Ich werde Sie jetzt damit nicht langweilen, das ist Ihnen vermutlich weitgehend bekannt. Nur, wenn Maria frei von Erbsünde sein mußte, ohne getauft werden zu können, um das Vas Domini zu werden, dann liegt es nahe, daß das Volk, dem sie entstammte und das bis dahin ohnehin vor allen Völkern durch den Alten Bund eine heilsgeschichtlich privilegierte Position einnahm, imstande war, in einer noch nicht definierten Weise zum Empfang präsakramentaler Heiligungen irgendwie prädestiniert zu sein – die Analogie |224| des Verhältnisses Jesu zu Maria und Marias zum Volk Israel liegt doch auf der Hand. In anderer Hinsicht hat die Kirche übrigens Maria ständig in Analogien verwickelt, warum nicht auch hier.«
    Ines verließ ihn staunend. Da sie sich aber niemals darum bemüht hatte, was sie hier höheren Ortes vernahm, mit den Realitäten ihres Lebens in Verbindung zu bringen, vermied sie auch diesmal, ihre Freundin Florence mit dem vom Monsignore beim Namen gerufenen Volk Israel in Beziehung zu setzen, eine Inkonsequenz, die Florence im übrigen nicht schadete, denn Ines brachte ihr ohnehin schrankenlose Bewunderung entgegen und wäre nur verwirrt gewesen, wenn sie Florence dazu noch in größerer Intimität zur Jungfrau Maria hätte erblicken müssen, als sie ihr selbst jemals zu erreichen möglich gewesen wäre.
    Die Unterhaltung hatte dennoch einen starken Eindruck in ihr hinterlassen, und als sie Aimée jetzt fragte, ob sie Juden leiden könne, gingen ihr Fetzen der Argumentation des Meisters durch den Kopf. »Ja bitte«, sagte Aimée, »bitte stell mir einen Juden vor. Hoffentlich ist er schön, schön und gemein, wie auf einem Porträt von Sargent.«
    »Du hast aber Wünsche«, antwortete Ines und ließ die Gabel in die Walderdbeerenmousse sinken. Daß ein Kerl, mit dem sie im Bett gelegen hatte, Züge des Unvornehmen trug, oder sagen wir es genauer, ein rasierter besserer Gassenjunge gewesen war, gestand sie sich stets erst am Ende der Affäre ein, auch wenn eine exakte Gewissenserforschung ihr schon zu Beginn verraten hätte, daß es gerade diese Züge waren, die ihr Interesse geweckt hatten. Sie kam sich beschämend harmlos vor mit dem Plan, Stephan und Aimée zusammenzubringen. Vielleicht war Stephan für dieses wilde Ding doch ein bißchen zu bürgerlich? Ines haßte den Zweifel, denn sie hatte gelernt, daß sie in einer Situation, in der sie ihre Sicherheit verloren hatte, stets das Falsche tat. Sie überlegte noch, als sie schon aufgestanden waren und an der Kasse standen. Ines bezahlte, Aimée

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