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Das Bett

Titel: Das Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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Beginn die Beziehung an sich hätte abgebrochen werden müssen, ungehemmte Launen, über die die Dame sich noch nicht einmal beschweren durfte. Wo andere Liebhaber sich Sorgen machen mußten, wie sie den Übergang von der leidenschaftlichen Anfangsphase zu der Periode der Langeweile und des Überdrusses am glaubwürdigsten inszenierten, blieb Stephan sorgenfrei. Seinen Verehrerinnen war bald klar, daß er die Vorteile der mühelosen Verführbarkeit mit den Nachteilen der Unbeständigkeit und Rücksichtslosigkeit des Kindes in sich verband. Mit seinen schwarzen Federchen an den Schläfen hielten sie ihn für eine Elster, und tatsächlich gelang es ihnen manchmal, ihn durch ein glitzerndes Geschenk für eine kurze Zeit aus dem Gleichgewicht zu bringen, bis er es lächelnd in die Rocktasche steckte und der Zauber des glänzenden Gegenstandes die Elster nicht mehr blendete.
    Diese Knabenhaftigkeit, die er trotzig für sich beanspruchte, mit der er aber auch kokettierte, war für sein Verhalten in Liebesangelegenheiten das Hauptmerkmal, es war für ihn auch die Quelle des wichtigsten Genusses in diesen Dingen, nämlich des Vergnügens an einer Tyrannei, die nur ausüben kann, wer |265| sich benutzen läßt. Zudem war diese Haltung kräftesparend, weil sie es sich leisten konnte, mit winzigen Gesten auszukommen. Stephans Verehrerinnen benutzten, wenn sie ihm erst einmal freiwillig und vergnügungssüchtig, wie sie sich in ihrem Alter und bei ihren Erfahrungen verhalten wollten, auf den Leim gegangen waren, ein seelisches Vergrößerungsglas, unter dem sich bereits die zögernde Bewegung von Stephans kleinem Finger als gewichtige Beifalls- oder Zornesbekundung darstellte. Ihre Selbstachtung schrieb ihnen vor, von der einen oder anderen tränenreichen Entgleisung abgesehen, an ihrer Rolle als überlegener, abgebrühter Liebhaberin mit dem überraschend großmütigen und zugleich zärtlichen Herzen festzuhalten. Es gab kaum eine unter ihnen, die Stephan nicht irgendwann einmal am Telephon zuraunte, sie habe ihn heute morgen auf Zehenspitzen verlassen und bewußt vermieden, ihn aufzuwecken, er habe so entzückend kindlich geschlafen. Stephan steckte ihnen dann am Telephon die Zunge heraus und krauste seine Nase, sagte aber brav und ebenso sonor, wie es für den ihm zukommenden Part erwartet wurde: »Du bist ein Schatz«, bevor er auflegte und seine Augen anklagend zur Zimmerdecke wandte, ein Blick, der ein Erbstück seines Vaters war und früher einmal das vertraute Gespräch seiner Vorfahren mit dem Herrn des Alten Bundes begleitet hatte.
    Stephan nahm nachdenklich Abschied von der Rolle des Mignon. Er wollte keiner mehr sein, weil meine Tante, wie er sie jetzt sah, damit wohl noch weniger hätte anfangen können als mit einem himmlischen Beglücker und Tröster. Überhaupt, so fühlte er, hatte das Spiel, zu dem ihn der Anblick meiner Tante unwiderstehlich verlockte, einen anderen Namen als die, die er bisher ausprobiert hatte. Er vermutete zugleich, daß wohl auch andere Mittel angewandt werden mußten, um meine Tante aus ihrer erwartungsvollen Trance aufzuwecken. Stephan begann Dinge zu denken, denen er bisher peinlich verboten hatte, auch nur in seinen verborgensten Träumen aufzutauchen.
    Er hatte seine Träume im allgemeinen unter Kontrolle. Sie waren ihm zu Diensten, sie hatten sich daran gewöhnt, ihm zu |266| seiner Bequemlichkeit zur Verfügung zu stehen. Im Bett der Agnes brauchte er nicht einmal mehr die Augen zu schließen, um das Erscheinen der Träume zu erzwingen. Tiroler hatte eine weitere seiner zahlreichen Enttäuschungen, die ihm Stephan bescherte, erlebt, als er die mageren Notizen las, die ihm vorlagen, als er Stephans Wunschträume studierte. Was da kam, war flach und ausdrucksarm, jedenfalls für einen, der von seinen traumwilligen Patienten starken Tobak gewohnt war. Im wesentlichen herrschte in diesen Träumen der Wunsch vor, fliegen zu können, und wenn auch ein erfahrener Mann wie Henry Tiroler daraus zunächst viel Honig saugen konnte, wäre es doch schön gewesen, wenn dies Fliegenkönnen noch durch weitere, weniger angenehme Traumbilder ergänzt worden wäre, ja, wenn wenigstens das Wohlgefühl des Fliegens sich bisweilen in irgendeine Angst, etwa die vor dem Absturz, verwandelt hätte. Nichts dergleichen stellte sich jedoch in Stephans Träumen ein. Dabei bemühte sich Stephan um Ehrlichkeit gegenüber dem Therapeuten. Vielleicht hätte er ihm sogar einen Traum erzählt, wie ich ihn als kleiner

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