Das Bett
Parade, die er auf dem Schreibtisch abhielt, fehlte, weil es verbraucht worden war, zum Beispiel die Kistchen mit Havannazigarren, die Flaschen mit Rasierwasser, die Kaviarbüchsen. Auch das, was ihn als Antwort auf die erhaltenen Tributleistungen verlassen hatte – die Opernbilletts, die Schachteln mit weißen Rosen, die Champagnerflaschen, das Parfum und die Wochenenden in entlegenen Hotels am Meer –, alles war wieder da.
Er fühlte, wie sich sein Zimmer mit Waren aller Art anfüllte, die einmal in der Absicht ausgetauscht worden waren, daß sie die sich Beschenkenden in der tröstlichen Sicherheit wiegten, für kurze Zeit nicht allein auf der Welt zu sein. Waren seine Affären etwa nicht von allen Umständen begleitet, die klassischerweise dazugehörten?
Diese Gegenstände waren ihm lieber als Photographien, die selten betrachtet in dem äußersten Winkel der Schreibtischschublade ein Schattendasein führten, weil er sich häufig nicht mehr sicher war, wer sie ihm eigentlich geschenkt hatte. Gelegentlich sorgte er dafür, daß er beim Anziehen die Geschenke mischte. Er verließ dann das Haus in dem Bewußtsein, daß er mit Pullover, Krawatte, Manschettenknöpfen und Feuerzeug vier von verschiedenen Frauen stammende Geschenke bei sich trug. Diese Geschenke waren Waffen, er fühlte sich gerüstet, aber zu welchem Kampf? Sie waren untrügliche Beweise, aber wofür genau? |259| Stephan ging allein durch die frühlingshafte Vorstadtstraße und fühlte sich von vier Schemen umflattert und umschwebt, ein Aggregatzustand der Schenkerinnen, den er im nachhinein ihrer realen Körperlichkeit vorzuziehen gelernt hatte.
Von meiner Tante war nun kein goldener Füllfederhalter zu erwarten, auch wenn sie ihn ohne weiteres hätte bezahlen können. Es wäre ihr nicht eingefallen, der Ausstattung Stephans, selbst unter den bedrohlichsten Anfällen von Verliebtheit, von sich aus etwas hinzufügen zu wollen. Sie konnte sich ohnehin nur schwer vorstellen, daß überhaupt irgendwann irgendwer einmal allen Ernstes einen solchen Wertgegenstand gekauft hatte, obwohl ihr Familien bekannt waren, in denen es so etwas gab. Aber dort mußten Gold und Silber eben eines Tages vom Himmel gefallen sein; nun waren sie an einem Platz angelangt, an dem sie sich wohl fühlten, und wenn nicht ein Krieg oder böse Diebe kamen, dann würden sie bis zum Ende der Welt dort bleiben.
Stephan hatte meine Tante an jenem Tag, als er sie kennenlernte, kaum beachtet. Meine Tante jedoch hing vom ersten Augenblick an seinen Lippen, und es war die Verwirrung, die sie nicht mehr verbergen konnte und die zu kleinen Malheurs am Tisch führte, die Stephan schließlich auf sie aufmerksam machten. Es war ein sonderbares Bild, die beiden nebeneinander sitzen zu sehen. Schon von ihrem Äußeren her hatten sie wenig miteinander gemein. Stephans Kragen war von einer goldenen Nadel, einem Geschenk von Florence, das niemals an der Geschenkparade teilnahm, eng um seinen Hals gehalten, was seinem Habitus zu allem anderen noch den Anschein von Disziplin und Strenge gab. Meine Tante hingegen befand sich in voller Auflösung, ihr Haar stand nach den verschiedensten Richtungen vom Kopf, ihr reizloser Pullover hatte schon Suppenflecken, auf ihren Wangen zeigten sich bereits die Partien, auf denen bald die roten Flecken leuchten würden. Stephan zerteilte das Brot mit einer ruhigen, in ihrer geschickten Entschiedenheit hübschen Bewegung. Um den Teller meiner Tante aber lagen die Brotkrümel als Zeugen ihres unbeholfenen Zerpflückens in einer Menge, als |260| wolle sie dort Spatzen füttern. Je mehr sie Stephans Augen auf sich fühlte, desto erfolgloser wurden ihre Bemühungen, ihre Bewegungen zu koordinieren. Die mit dieser Aufgabe betrauten Regionen des menschlichen Hirns erwiesen sich bei ihr als unmittelbar mit dem Herzen verbunden. Sie wollte einen Schluck trinken, nahm die Serviette, um sich den Mund abzuwischen, mit der Hand, in der sie, was ihr entgangen war, noch einen vollen Löffel hielt, bemerkte auf dem Körper die wohlige Wärme der niederträufelnden Suppe, warf alles auf einmal hin, fegte ihr verwüstetes Brotstück auf den Boden und schlug schließlich, als sie sich bückte, um es wieder aufzuheben, so hart mit dem Hinterkopf an die Tischkante, daß der Tisch erzitterte und die Suppe in allen Tellern gefährlich schwappte.
Dies und der folgende Augenblick, als nämlich meiner Tante die Tränen in die Augen schossen und allgemeine Sorge um die Beule auf ihrem
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