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Das Bett

Titel: Das Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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zweifelhaften Requisiten ausgestattet hatten, die den beiden darüber hinaus auch gar nicht zukamen, so verletzte sie auf der anderen Seite die unverfälschte Bodenständigkeit der hellblonden stumpfnäsigen Frau von Ballwitz, die sich bei ihrem ersten Treffen schelmisch bei Willy eingehängt hatte und beim Anblick von Florence ausrief: »Ei Willy, die Florenz is ja e goldisch Mädche«, wobei sie den Vornamen aussprach, als handele es sich um die Hauptstadt der Toskana. Am schlimmsten war, daß diese Leute als ihr ebenbürtig gelten sollten, und diese Zumutung wurde durch die Entdeckung noch größer, daß Willy nicht zufällig bei den Ballwitzens gelandet war, denn der Zugang zum eingesessenen, soliden Patriziat stellte sich für den alerten jungen Mann als Unternehmen dar, das mit Zurückweisungen, Kränkungen und höchst ungewissen Erfolgsaussichten verbunden war. Florence reagierte unerbittlich auf diese Lage: Die fröhlichen Ballwitzens wurden abgeschafft, aus war es mit den heiteren Gelagen, die Willy für sie und ihre Freunde veranstaltete, und es währte auch nur kurze Zeit, bis der lernfähige Willy die Ballwitzschen Idiome nur noch benutzte, wenn Florence nicht dabei war. Sie verschrieb der Reputation ihrer neuen Familie als Genesungskur eine streng eingehaltene, glänzende Isolation, aber selbst als diese Methode längst einen gewissen Erfolg bewiesen hatte, behielt Florence ein kleines Ressentiment gegen den Adel zurück, dessen sicher unbedeutendste Mitglieder es gewagt hatten, den ihr gehörigen Mann und damit sie selbst in eine schiefe Situation zu bringen. So kam es, daß der |329| einschüchternde Ton, den sie bei Ines Wafelaerts gebrauchte, seine Wurzel in dem Mißverständnis hatte, Ines sei eine geborene von Mallinckrodt. Als sich der Irrtum herausstellte, war es zu spät, diesen Ton zu korrigieren, denn die Rollen der beiden Frauen waren längst bestimmt und festgeschrieben.
    Nicht nur Florence übrigens tappte, was Willys gesellschaftliche Stellung in Frankfurt betraf, im dunkeln. Auch ihre Familie bekümmerte sich wenig um diese offene Frage, wie sie das nebenbei noch niemals bei Schwiegersöhnen und Schwiegertöchtern getan hatte, und zwar schon deshalb, weil es in ihren Augen neben dem festgefügten Palast der Gutmann-Familie nur noch unbedeutende Strohhütten und Reihenhäuser geben konnte. Auch das Vertrauen in die Integrationskraft der Familie war unbegrenzt. Sie schluckte alles an Un-Gutmannscher Individualität einfach auf und ließ den verbliebenen Rest der eingeheirateten Persönlichkeit dann zum höheren Ruhm des Hauses gedeihen oder in den Schatten treten, wo sie nicht so auffiel. Wie die Drohne, die die Königin befruchten darf, deshalb noch keinen Anspruch auf Verlust ihrer Anonymität gewinnt, so wenig scherte man sich bei den Gutmanns darum, wer durch das standesamtliche Ereignis in die Familie geschwemmt wurde.
    Gleichwohl wurden die Hochzeiten mit einer Pracht gefeiert, die wohl dazu geeignet gewesen wäre, die anspruchsvollsten Schwiegersöhne zu verblüffen, die aber allein dem Lobpreis des Herrn der Welt galt, der die Gutmanns erschaffen hatte. Florence’ Vater nahm jede Einzelheit der Zeremonien und Festlichkeiten selbst in die Hand und überwachte alles mit nimmermüder Sorgfalt. Nur bei der Zahl der Gäste wurde jede Überlegung fahrengelassen: Er lud einfach alle Leute ein, die der Strahl seiner Sonne je getroffen hatte. Scharen drängten sich durch die Foyers und Säle des gemieteten Hotels, um Florence’ Glück zu betrachten. Wie ein Silvesterfeuerwerk flackerten die Blitzlichter, als der Bürgermeister der Stadt, der Gouverneur und die Senatoren dem jungen Paar gratulierten, und Florence, die den Ablauf solcher Veranstaltungen längst von den Hochzeiten ihrer Geschwister her kannte, fühlte dankbar, wie gut es tat, seine |330| Pflicht zu erfüllen, denn daß sie verpflichtet war, ihrer Familie eine Gelegenheit zu einem solchen Fest zu geben, stand für sie außer Zweifel, und es war kein Zufall, daß die Aufnahme, auf der Willy ihr einen kleinen Kuß auf die Wange geben sollte, wiederholt werden mußte, weil Florence, während er sie küßte, in eine ganz andere Richtung sah: in die Ecke des Salons, wo ihr Vater stand und sie glücklich betrachtete. Sie suchte seinen Blick und wagte ein kühles Lächeln, als er ihr zunickte und ihr eine Kußhand zuwarf.
    Das junge Paar hatte schon auf zwei vergoldeten Louisquatorze-Thronsesseln Platz genommen, als die Dinergäste

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