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Das Bett

Titel: Das Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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ein bißchen unterstützen. Ich wollte doch weg. Ich mußte auch weg, oder nicht? Man hört so viel von Umsiedlung und Arbeitseinsatz. Ich glaube, wenn ich dageblieben wäre, hätten wir trotzdem nicht lange zusammenbleiben können. Oder doch? Sie hören doch etwas, Sie sind doch rumgekommen.«
    Es zeigte sich nun, daß Dr. Frey viel genauer über Stephan Bescheid wußte, als Stephan das geahnt hätte. Die Ankunft eines Paares, von dem der Mann einen amerikanischen Diplomatenpaß, die Frau dafür überhaupt keine Papiere in der Unterpräfektur präsentiert hatten, war offensichtlich bald im Ort herumgegangen. Es gehörte Stephans Indolenz dazu, um das Beobachten und das Tuscheln, das ihm und seiner Freundin galt, nicht ernsthaft wahrzunehmen, wenn er nach Sonnenuntergang durch die kühleren Straßen mit seinem blonden Mädchen am Arm auf und ab ging, wie es die eingesessenen Bürger von Narbonne taten, als gehöre er zu ihnen und als seien ihre uralten Gewohnheiten auch die seinen. Er fühlte sich um so mehr zu diesen braven Leuten gehörig, desto weniger er mit ihnen sprach. Es war normal, daß er nun in Narbonne lebte, es war normal, daß er dort niemanden kannte, und er wünschte an keinem dieser beiden Zustände etwas zu ändern. Freys Eröffnungen störten seine Illusion vom spurlosen Untertauchen, sie waren daher nicht dazu geschaffen, Stephan freundlicher für seinen Landsmann zu stimmen.
    »Eine entzückende Dame ist Frau Korn«, sagte Frey nun auch noch, und sein schwärmerisch-galanter Tonfall ließ keinen Zweifel daran, daß er nicht etwa Florence meinte, die er in Frankfurt wohl gelegentlich gesehen haben mochte, sondern die Frau, die Stephan aus dem bedrohlichen Norden in den offenbar friedlicheren Süden geführt hatte.
    Frey gehörte zu den Menschen, die im Umgang mit Fremden zunächst durch ihre Geschwätzigkeit auffallen. Es scheint keinen |381| Gedanken in ihrem Gehirn zu geben, den sie nicht alsbald Sprache werden lassen, unbesorgt darum, daß beim anderen dadurch der Eindruck der Hemmungslosigkeit entstehen könnte. In Wahrheit durfte man Frey jedoch nichts weniger als hemmungslos nennen, sein Wortfluß hatte vielmehr Methode, er entsprach einer Konzeption, die aus seinem ihm leidvoll bekanntgewordenen Unvermögen erwuchs, neue Menschen nach ihren Gesichtern oder Bewegungen einzuschätzen. Frey verfuhr daher systematisch. Er kam in der sprunghaftesten Manier von einem zum anderen Thema, das er blitzschnell dem anderen, um in der Sprache der Staatsanwälte zu reden, vorhielt, seine Miene beobachtete und es ebenso gewandt wieder fallenließ, wenn es aussah, als werde der Gegenstand unergiebig bleiben. Daß Stephan nicht auf die blonde Frau in seiner Begleitung angesprochen werden wollte, merkte Frey auf der Stelle, denn Stephan machte, kaum daß Frey sie erwähnte, wieder sein verwöhntes Babygesicht, von dem Frey immerhin im Profil die gekrauste Nase erkannte, und sich bedauernd im geheimen sagte, daß ein Mann, der ein Gespräch über Damen refüsierte, wohl doch ein härterer Brocken sein werde.
    Stephan hatte sich jetzt ebenfalls ein Bild von seinem neuen Bekannten gemacht. Er will Geld, dachte er. Er wird gleich anfangen, vom Geld zu reden, und er überlegte sofort, wieviel er ihm würde geben können, denn seine Reserven näherten sich der Neige, und er wußte nicht, wieviel er in der nächsten Zeit noch brauchte. Stephan sträubte sich gegen jede Veränderung seines heiklen Gleichgewichts. Zum erstenmal in seinem Leben hatte er das Gefühl, alles, was ihn anging, befriedigend gelöst zu haben, nicht ohne dabei zugleich schon darüber besorgt zu sein, wie lange es wohl glücken würde, diese Lage aufrechtzuerhalten. Ich bin gestorben! dachte Stephan eines Morgens im Café und freute sich über das Glück, das ihm dieser Gedanke schenkte. Die Politik, der Krieg, die Zukunft waren Stephan gleichgültiger denn je. Er gab sich kaum Rechenschaft über das Unwohlsein, das ihn bei der Redseligkeit des Dr. Frey befiel, keinesfalls wollte er jedoch zu einer Stellungnahme verpflichtet werden, die Rückfrage |382| nach dem Kaufpreis der Villa reute ihn jetzt schon, obwohl ihn die Summe wirklich erschüttert hatte.
    »Ich war Rot-Weiß«, raunte Dr. Frey jetzt. »Waren Sie nicht auch? Ach nein, Sie waren sicher Palmengarten. Die haben viel später angefangen. Bei Rot-Weiß hat unsereiner Platzverbot bekommen, schriftlich, vom neuen Vorstand, in einer Form, die war ... aber das wissen Sie ja, das haben Sie

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