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Das Bett

Titel: Das Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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zudem in diesem Fall seit Wochen erübrigten, denn er hing gern Gewohnheiten an und ging seit seiner Ankunft in Narbonne immer nur in das Café, das seine Stühle gegenüber dem |374| »Hotel Midi«, in dem Stephan und seine Begleiterin abgestiegen waren, herausgestellt hatte, und der Kellner wußte schon, was Stephan haben wollte, nachdem er seinen Milchkaffee getrunken hatte, und stellte unaufgefordert, indem er die dicke Tasse wegnahm, ein kleines Glas Weißwein auf das Tischchen, an dem Stephan im Schatten des Hauses seine Morgenfeier beging.
    Dr. Frey unterschied sich von Stephan schon darin, daß er sich zwar ebenfalls im Bezirk der Caféterrasse aufhielt, dort aber nichts konsumierte und überhaupt zum Ortswechsel neigte. Waren die wenigen Tische besetzt und hielt ein neuer Gast Ausschau nach einem leeren Platz, so sprang Dr. Frey eilfertig auf und bot seinen Platz an. Er verharrte danach weiterhin in der Nähe, indem er die Hände in die Hosentaschen steckte, sich an die Hausmauer lehnte und die Vorgänge auf der Terrasse geschäftig im Auge behielt.
    Dr. Frey wäre Stephan wie der unbeschäftigte Sohn oder Neffe des Cafetiers erschienen, dem die romanische Familiensitte gebietet, sich nicht zu weit von der Quelle seiner Wohlfahrt zu entfernen, ohne ihn mit Pflichten zu belasten, wenn nicht die Dürftigkeit seiner Erscheinung, vor allem der um den mageren Körper schlotternde Anzug die Vermutung verboten hätte, daß sich sein Träger allabendlich an einen gedeckten Familientisch setzte, um seine reichliche Ration zu verzehren. Stephan betrachtete Dr. Frey ohne Neugier. Er war ihm lieb geworden, weil ihm diese Morgende so lieb waren, und er hatte sogar schon einige Male das beflissene Angebot Freys angenommen, auf seinem Stuhl Platz zu nehmen, ohne sich dabei mehr zu denken, als daß es doch besonders angenehm sei, niemals auf den Stammplatz vor dem Café verzichten zu müssen.
    Eine Weile hielt er Dr. Freys beständige Aufmerksamkeit überhaupt für eine höfliche Geste des Cafetiers, der seinem ausländischen Stammgast den Lieblingstisch reservieren wollte. »Spring mal schnell zu meiner Frau und sag ihr, daß ich noch zehn Minuten hierbleibe!« rief dann nach einer Welle ein dicker, rotgesichtiger Mann in schwarzem Anzug, der den |375| Hemdkragen zur Erleichterung in der Wärme geöffnet hatte und der stets mit einigen anderen Männern den Vormittag am Ecktisch auf der Caféterrasse verbrachte, und Dr. Frey dankte ihm für den Auftrag mit einer freundlichen kleinen Verbeugung und machte sich auf der Stelle auf den Weg. Als er wieder erschien, richtete er die Antwort des Eheweibes mit einem Takt aus, der die Privatsekretäre großer Herren kennzeichnet, die gelernt haben, daß ihre Gebieter scheinbaren Lappalien aus ihrem Alltagsleben manchmal höhere Bedeutung beimessen als den Staatsaktionen. Der Rotkopf nahm diese Dienste mit einer Selbstverständlichkeit entgegen, als sei Dr. Frey ihm verpflichtet, und Stephan wunderte sich, als der Dicke nach Wochen plötzlich den Kellner beauftragte, seinem fleißigen Boten ein Glas Weißwein zu bringen, was Dr. Frey stehend trank, nicht ohne vorher dem Spender liebenswürdig, aber diskret zugeprostet zu haben, eine Huldigung, die der dicke Mann mit einem Winken seiner schwarzbehaarten Hand beiläufig und ohne seine Unterhaltung zu unterbrechen erwiderte.
    Stephan empfand dies Tun und Treiben als typisch südländisch. »Nein, was es hier für Existenzen gibt«, sagte er sinnierend vor sich hin, denn er hatte noch niemals in kühler Überlegung sein Augenmerk auf die eigene Existenz gerichtet und deren Fremdartigkeit inmitten bourgeoiser Betriebsamkeit betrachtet. Er rang lange mit sich, ob es angemessen sei, seinem getreuen Platzhalter auch einmal ein Glas Wein auszugeben, keineswegs aus Sparsamkeit, wohlgemerkt, sondern weil er eine nervöse Empfindlichkeit für das Betragen von Leuten entwickelt hatte, die sich in einem Milieu, in das sie offensichtlich nicht gehörten, mit allzu dreister Selbstverständlichkeit bewegten, und er wollte um jeden Preis den Eindruck vermeiden, er biedere sich an, ein nicht auszuschließendes Ergebnis touristischer Spendenfreudigkeit, das er mehr fürchtete als den Vorwurf des Geizes. Als er ihm schließlich den Wein dann doch bestellte, geschah das freilich in einer Lage, die Mißverständnisse über Stephans Motive nicht mehr zuließ, weil er und Dr. Frey vorher schon eine Weile ins Plaudern geraten waren und Stephan zu seiner

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