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Das Bett

Titel: Das Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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jemand, dem die Beine eingeschlafen sind, und auch ein wenig kindisch.
    |457| »Da ist doch dein Hut«, sagte ich und zeigte auf das Hutbrett, wo als einzige Kopfbedeckung das schwarze Vogelbrüstchen meiner Tante lag, das seit dem Ausflug nach Würzburg seinen Platz nicht mehr verlassen hatte, obwohl es auf dem windigen Schloßplatz im Laufen und im Fliegen unterwiesen worden war. Meine Tante sah durch ihren Hut ebenso hindurch wie durch mich. Sie war auf einmal gleichgültig. Als sie mit freundlicher Bestimmtheit ihre Hand aus der meinen nahm und wegging, wollte ich ihr noch hinterherlaufen, um zu sehen, was sie nun beginne, denn ich ahnte, daß von heute an im Leben meiner Tante manches Neue zu erwarten sei. Aber sie schlug mir die Tür vor der Nase zu und schloß ab, und als ich versuchte, durch das Schlüsselloch zu gucken, sah ich nichts als das Handtuch, das sie über die Türklinke gehängt hatte, um mir die Einsicht zu verwehren. Ich weiß noch, wie ich eine unerwartete Bewunderung für meine Tante empfand, weil die freche Selbstbehauptung, die in dieser Geste lag, nichts mit ihrer alten Demut, die ihr jedermann so schlecht vergolten hatte, zu tun hatte. Ich fühlte sie zu einem ernsthaften Gegner heranwachsen und war deshalb gekränkt, daß ihre Türe auch weiterhin abgeschlossen blieb, obwohl der einzige Zweck, den diese Verriegelung in meinen Augen haben konnte, nämlich sich bei mir Respekt zu verschaffen, bereits erreicht war und wir nun getrost hätten weiter einander bei unseren Erlebnissen zuhören können.
    Wenn meine Tante bei uns zu Besuch war, begleitete sie mich statt meiner Mutter in die Sonntagsmesse, denn meine Mutter liebte es, länger zu schlafen, und murrte darüber, den Sonntagvormittag nur durch eine zusätzliche Pflicht vom Werktag unterschieden zu sehen, der sie nur meinetwegen nachkam, weil sie es für klug hielt, meinen religiösen Eifer bis zur Erstkommunion nicht unnötig zu beeinträchtigen. Wenn sie am Samstagabend entschied, indem sie tat, als stelle sie diese Überlegung zum erstenmal an, daß sie am anderen Morgen nun doch nicht mit mir zur Kirche gehen werde, weil sie endlich einmal ausschlafen müsse, daß es für mich aber schließlich auf dasselbe hinauslaufe, wenn ich statt dessen von meiner Tante begleitet würde, deren |458| Frömmigkeit außer Zweifel stand, dann schloß sie diese Bemerkung mit dem versonnenen Wunsch, ich möge für sie mitbeten, ein Auftrag, dem sie die leichte Frivolität der großen Sünderin zu geben wußte, deren Leben ihr den Weg in die Kirche schmerzlich verbaut und die dennoch weiß, wie süß die Sünde schmeckt. Meine Tante schickte sich selbstverständlich widerspruchslos und versuchte sogar noch, mir am nächsten Morgen, wenn ich aus meinem Zorn über das Ruhebedürfnis meiner Eltern keinen Hehl machte, mit einfühlsamen Erklärungen das Herz weicher und andachtsbereiter zu stimmen. Sie sorgte auch jedesmal dafür, daß ich für meine Eltern nach der Messe eine Kerze aufstellte, denn sie wollte sich vergewissern, daß der Auftrag meiner Mutter, den sie wörtlich genommen hatte, ausgeführt werde, und zwar nicht nur von ihr, die sie die Kraft ihres Gebetes nur gering einschätzte, sondern vor allem von dem unschuldigen Kind, das sie zur Messe geführt hatte. Obwohl ich, wenn meine Tante mit mir zur Kirche ging, erheblich länger dem Kult folgte, denn im Unterschied zu meiner Mutter war sie pünktlich zum Anfang der Messe mit mir zur Stelle, und wir harrten auch bis zum Segen aus, von dem meine Mutter gern sagte, daß sie ihn sich gut schenken könne, hinderte sie mich durch die auffällige Inbrunst ihrer Andacht daran, daß ich den Ablauf der heiligen Handlung verstehen lernte, wie mich die Zerstreutheit meiner Mutter in anderer Weise durcheinander brachte.
    Für meine Mutter war von wesentlicher Bedeutung, wer sich überhaupt der Mühe unterzogen hatte, in der Kirche zu erscheinen. Wenn Frau Oppenheimer etwa den Sonntag ausnahmsweise nicht auf dem Lande verbrachte und mit ihren blonden Söhnen der ersten Reihe zustrebte, als handele es sich um ihr Herrschaftsgestühl, war meine Mutter ebenso davon in Anspruch genommen, wie wenn der Monsignore vertretungshalber die Messe las und weder Ines Wafelaerts noch die alte Agnes es für nötig hielten, ihrem Seelenführer durch tapfere Anwesenheit Beweise ihrer Treue darzubringen. Dabei hätte nicht einmal der Papst eine der beiden Frauen noch in diesen Tempel locken können. Für beide war die Zeit

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