Das Bett
»War da nicht so etwas Ähnliches mit dem Schleier der Penelope?« –, und ebensoschnell fügten sich ungewöhnliche Hypothesen wieder zusammen, wenn sie nur den Bohnerwachsgeruch seiner unbehausten und ungelüfteten Junggesellenwohnung in die Nase bekam. Nicht anders als in Platons heiliger Akademie verhielt es sich mit den Mysterien des Monsignore hermetisch. Das tat ihrer Wahrheit keinen Abbruch, da sie eben nur in der Gegenwart des großen Meisters sichtbar und greifbar wurden, in der Trivialität der materiellen Welt jedoch zur Unsichtbarkeit verblaßten.
Später, noch vor Ende des Krieges, aber längst, nachdem Florence mit ihrem Hof Frankfurt verlassen hatte, hätte Ines doch manches gern ein wenig genauer erfahren. Sie war in einen magischen Zirkel geraten und hatte zunächst geglaubt, daß ihr ohne weiteres nach den jahrelangen Lehrstunden bei ihrem geistlichen Freund der Rang einer eingeweihten Adeptin zukomme, wovon nach den Prüfungen, denen man sie unterzog, gar nicht mehr die Rede sein konnte. Auf alle Erwähnungen Goethes blieben die Mitglieder des Zirkels kühl, dafür führten sie Namen wie Apollodor von Tyana, Pythagoras und Reb Löw im Munde, von denen nun wieder Ines nichts gehört hatte, obwohl sie, wie man ihr sagte, wichtig waren, eine Behauptung, die sie verwirrte, denn der Wegweiser zu aller Wichtigkeit war für sie immer noch unangefochten der Monsignore. Deshalb wollte sie nun endlich einmal von ihm erfahren, ob er sich, wie sie sich ausdrückte, nur symbolisch mit den Beschwörungstechniken befasse oder ob er wirklich mit Leib und Seele bei der Sache sei und sich der geheimen Wissenschaft in der gleichen Unbedingtheit wie das Haupt ihres magischen Zirkels verschrieben habe.
»Mein Kind, worauf wollen Sie sich einlassen«, rief Monsignore |464| Eichhorn, als Ines mit ihrer Frage herausrückte und auch gleich ihre Bekanntschaft mit dem Zirkel gestand. Ines empfand es als ungeheuer angenehm, daß in diesem Ausruf nichts von Maßregelung oder geistlichem Verbot lag, wie es von einem Priester, der den Gesetzen der Kirche folgte, eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Bei Eichhorn herrschte diese wundervolle Freiheit, die im Kabinett der geistig Überlegenen zu Hause ist und die den Regel- und Formenkram für die breite Masse einfach außer Kraft setzt.
»Weiße oder schwarze Magie?« fragte nun der Monsignore, und Ines mußte sich erst einmal darüber aufklären lassen, daß es auf dem Gebiet ihrer neuen Leidenschaft Unterschiede zu beachten gab, die dem Laien verborgen waren. Voll Staunen hörte sie von den Dämonenhierarchien der Gnosis, die sich nach Anrufungen dem Würdigen offenbaren, von den Ansichten der Kirchenväter dazu, vom Pentagramm, von der kabbalistischen Pyramide und vom Magnetismus des Willens. Ärgerlich war bei diesen Darlegungen nur, daß der Monsignore ständig im dunkeln ließ, wie er selbst zu diesen Techniken stand. Ines wollte endlich wissen, ob ihr Freund sich die riesige Mühe gegeben hatte, die von der Kirche erlaubten und die verbotenen Formen der Anrufungen, Geister- und Totenbeschwörungen zu schildern, um ihr damit doch nur ein kulturgeschichtliches Referat zu halten, weil er im übrigen dem ganzen Treiben viel ferner stand, als sie ursprünglich angenommen hatte.
»Vor allem eine Regel gilt seit dem Altertum«, sagte der Monsignore und faßte Ines dabei streng ins Auge, »Gesundheit. Der Adept muß vollkommen gesund sein. Seelische und körperliche Labilität bringen ihn in Lebensgefahr. Die Gesellschaft der Mächte ist nicht gemütlich. Es wird von Adepten berichtet, die mit weißem Haar aus ihrer Kammer gekommen sind. Solche Operationen sind keine Spielerei. Man muß ein wirklich ernsthaftes Anliegen haben.«
Mit einem solchen konnte Ines alsbald aufwarten. Als ob der gute Zweck etwas über die Qualität der Mittel sage, legte sie dem Monsignore voller Eifer dar, warum sich der Kreis zusammengeschlossen |465| habe, eine freundschaftliche Offenheit, die sowohl sie selbst als auch der Monsignore bereuen sollten, denn nicht alle Personen des Zirkels besaßen die feierliche Diskretion, wie sie sich für Geheimgesellschaften aller Zeiten geziemt, und es war nicht nur Ines Wafelaerts, die darüber sprach, daß ein profilierter Theologe die kleine Spiritistengemeinschaft gewissermaßen beraten hatte. Dabei sollte Monsignore Eichhorn niemals einem einzigen Mitglied des Zirkels außer Ines begegnen, und auch ihr erklärte er immer wieder, daß es sich für ihn
Weitere Kostenlose Bücher