Das Bienenmaedchen
ähm … Es hat irgendwas damit zu tun, dass er in der Regierung ist. Deshalb verbringt er, wenn er hier ist, einige Zeit damit, sich mit Bauern und anderen Leuten zu treffen. Und morgen Abend findet hier ein Festessen statt, zu dem dreißig Gäste kommen, und Mummy ist schrecklich beschäftigt und will nicht, dass wir ihr im Weg sind.«
Es lag tatsächlich eine hysterische Atmosphäre über dem Haus. Den ganzen Morgen über, während die älteren Mädchen über langen Rechenaufgaben brüteten und abwechselnd aus Julius Cäsar vorlasen, trafen Karren mit Gemüse und Lastwagen mit eisgekühltem Fleisch oder Fisch ein. Türen wurden zugeschlagen, und man hörte Browns schrille Stimme, wie sie sich über irgendetwas beklagte, und Mrs Wincanton rief Anweisungen, wohin das Mobiliar gerückt werden sollte. Bei der Ankunft jeden neuen Besuchers ließ die kleine Hetty, die sich in Handschrift üben sollte, ihren Füllfederhalter fallen und rannte zum Fenster. Schließlich stieß sie das Tintenfass um.
»Oh, du liederliches Kind!«, schrie Miss Simpkins. »Du hast alles über dich geschüttet!«
Beatrice wünschte sich entgegen jeglicher Hoffnung, dass der Unterricht am Montag stattfände. Sonst würde sie den ehrenwerten Michael Wincanton niemals kennenlernen. Sie fragte sich, ob er so groß und dunkelhaarig war wie Rollo Treloar, der Mann, mit dem Oenone Wincanton ausritt, oder stämmig und blond wie Edward.
»Kommt Major Treloar morgen zum Festessen?«, fragte sie Angelina leise, während Miss Simpkins Hettys verschüttete Tinte aufzuwischen versuchte. Bildete sie es sich ein, oder erstarrte Miss Simpkins’ Hand einen Augenblick lang über dem Übungsbuch?
»Rollo? Das weiß ich wirklich nicht.« Angelina starrte auf William Shakespeare, als versuche sie tatsächlich, das Textbuch auswendig zu lernen. »Ich weiß nicht, ob Daddy sich besonders viel aus ihm macht.« Beatrice wünschte sich, sie hätte die Frage nicht gestellt. Wieder einmal verbarg Angelina etwas vor ihr. Manchmal konnte Beatrice diese Familie nicht verstehen.
»Wir sollten wirklich weitermachen, Mädchen.« Der Ton von Miss Simpkins war hart wie Granit. »Hetty, geh sofort los, such Nanny und zieh eine frische Bluse an. Ich hab noch nie so einen ungeschickten Wildfang gesehen – mein Lebtag nicht.«
Am Montag fand der Unterricht zwar statt, aber Angelinas Vater bekam Beatrice nicht zu Gesicht.
Als sie auf Carlyon Manor ankam, traf sie eine Angelina an, die vor Kummer fast außer sich war. Miss Simpkins konnte überhaupt nichts mit ihr anfangen.
»Er ist nach London zurückgefahren«, sagte Angelina mittags auf dem Hof vor den Ställen, als Beatrice sich nach Mr Wincanton erkundigte.
»Ich dachte, er wäre heute hier.«
»Das hab ich auch gedacht. Ich will nicht darüber reden«, sagte Angelina. Nachdem sie die Pferde ein wenig gestreichelt hatten, wurde sie sanfter. »Daddy hat gesagt, es sei was passiert. Er ist ganz früh am Morgen zu mir gekommen, um sich zu verabschieden. Ich sollte Mummy ›Auf Wiedersehen‹ von ihm ausrichten, weil sie noch schlief. Als ich ihr das gesagt habe, war sie sehr bestürzt. Dann ist sie rausgegangen und weggeritten.«
»Mit Major Treloar?«
»Nein, allein. Rollo war beim Dinner dabei. Aber ich hatte recht – Daddy mag ihn nicht. Ich hab gehört, wie er und Mummy sich gestritten haben, weil sie ihn eingeladen hat.«
»Warst du bei dem Dinner?«
»Nein, aber Ed und ich durften die Gäste begrüßen. Es gab da einen sehr amüsanten Mann, der furchtbar kokett war; und leider habe ich gelogen und ihm gesagt, ich wäre fünfzehn, und Bea … Du wirst es nicht glauben, aber er hat gesagt, er würde mir das nicht abnehmen und dass ich mindestens wie siebzehn aussähe. Ich hab mich nicht mehr eingekriegt vor Lachen. Er war schrecklich alt – fünfundzwanzig oder so –, und dann hat Mummy mich ins Bett geschickt.«
Beatrice ertappte sich dabei, dass sie Angie in einem neuen Licht sah. Der Mann hatte recht gehabt, was ihr Aussehen betraf. Ihre Figur war ausgesprochen kurvenreich, und wenn sie, nahezu unwillkürlich, mit ihrem Haar spielte und es sich aus dem Gesicht strich, dann wirkte diese Geste erwachsen. Beatrice’ eigener Körper war immer noch der eines Kindes, doch erst kürzlich hatte sie bemerkt, dass ihre Brustwarzen empfindlicher geworden waren – eines von mehreren Anzeichen einer grundlegenden Veränderung. Ihre Mutter hatte verlegen gemurmelt, dass wahrscheinlich etwas Unangenehmes auf Beatrice
Weitere Kostenlose Bücher