Das Bienenmaedchen
sie darüber war. »Legen Sie sich ein paar dickere Hosen zu, sonst reiten Sie sich wund«, riet er ihr, als er ihr beim Absteigen half.
Auf dem Heimweg schaute sie oft bei Cloud und Jezebel vorbei. Sie liebte es zuzuschauen, wenn Harry die Tiere striegelte. Es war auch schön, einfach nur in den Boxen zu stehen, die Pferde zu streicheln, zuzusehen, wie ihre Muskeln zuckten und wie sie ihre Schwänze schnellen ließen, um die Fliegen zu verscheuchen, und den süßen Gestank ihres Dungs einzuatmen. Flüsternd vertraute sie ihnen ihre Geheimnisse an und betrachtete ihr Schnauben und Wiehern als Beiträge zum Gespräch.
Wenn sie am Morgen über die Klippen ging, erhaschte sie nicht selten einen Blick auf Oenone Wincanton auf Jezebel, die den Strand entlangtänzelte. Manchmal war sie in Begleitung des Soldaten, den die anderen Kinder, wie Beatrice gehört hatte, Rollo nannten, wenn sie über ihn sprachen. Oder sie sah Angies Mutter in der Ferne über ein Feld galoppieren – Frau und Pferd bewegten sich wie ein einziges Wesen –, und sehnte sich danach, es ihnen gleichzutun.
Angelina hockte nach eigener Aussage wie ein Kartoffelsack auf einem Pony. Aber auch sie liebte Cloud. Manchmal, wenn sich Beatrice zu Fuß auf den Heimweg machte, ließ sie Cloud satteln und und ritt mit ihm aus, Harry auf Jezebel an ihrer Seite.
Eines Tages, als Beatrice den leichten und fliegenden Trab übte, erschien Mrs Wincanton unerwartet im Hof. Harry brachte Cloud zum Stehen. Beatrice fragte sich erschrocken, ob sie mit ihren geheimen Reitstunden etwas tat, was sie nicht durfte, aber das war unnötig.
»Gut gemacht!«, rief Mrs Wincanton und applaudierte. »Du sitzt ganz natürlich auf dem Pony, Biene.« Diesen Kosenamen hatte die ganze Familie übernommen. Nur Miss Simpkins, die Hauslehrerin, beharrte darauf, sie Beatrice zu nennen, wobei sie das Wort manchmal mit einem italienischen Akzent aussprach: Be-a-trit-sche . »Wie Dantes verlorene Liebe«, erklärte sie seufzend und mit schmachtenden Augen. Vielleicht dachte sie an ihren eigenen Verlobten, der weit entfernt in Belgien begraben lag.
Mrs Wincanton war gekommen, um Harry zu sagen, dass er Jezebel um vier aufsatteln sollte. Sie wollte zum nächsten Tal hinüberreiten, um eine Freundin zu besuchen, die ein Baby bekommen hatte. Nachdem sie ihre Anweisungen gegeben hatte, sagte sie: »Jetzt lasst euch durch mich nicht länger vom Unterricht abhalten«, und schritt mit den Händen in den Taschen fort, wobei sie ein fröhliches kleines Lied vor sich herträllerte.
Nicht lange nach diesem Vorfall kam die Überraschung. Eines Nachmittags traf Beatrice Harry an, wie er eine leere Box ausfegte. »Warte bis morgen.« Das war alles, was er sagte, und dabei zwinkerte er ihr zu. Und am nächsten Tag gab es ein drittes Pferd, das ruhig dort stand: ein kräftiges geschecktes Pony mit sanftmütigem Gesicht. Der Name der Stute war Nutmeg.
»Damit du und Angelina zusammen ausreiten könnt«, sagte Mrs Wincanton zu Beatrice. »Und für Hetty zum Reitenlernen, wenn sie ein bisschen älter ist.«
Beatrice brachte stammelnd ihren Dank hervor. Nutmeg mochte zwar nicht weiß sein und mit wehender Mähne wie die Pferde aus ihren Träumen, aber mit ihren schwarzen und braunen Flecken war sie immer noch hinreißend.
»Heute kommt Daddy!« Mit diesen Worten begrüßte Angelina Beatrice eines Freitagmorgens im November. Ihre Wangen waren noch mehr gerötet als sonst, und ihre Augen funkelten vor Aufregung. »Mummy ist selbst zum Bahnhof gefahren, um ihn abzuholen, und er bleibt ganze drei Tage! Ich habe Mummy gefragt, ob der Unterricht am Montag nicht ausfallen kann, aber sie hat gesagt, wir sollten einfach abwarten.«
»Warum wohnt dein Dad nicht hier bei euch?«, fragte Beatrice. »Muss er die ganze Zeit in London arbeiten?«
»Er ist in der Regierung. Er muss in London sein, weil er das Land mitregiert. Es ist sehr wichtig, sagt Mummy. Man kann nicht immer fort sein, wenn der Premierminister einen braucht, um irgendwas zu machen, einen weiteren Krieg aufzuhalten oder ein Gesetz zu verabschieden …« Sie wedelte in unbestimmter Weise mit der Hand.
Beatrice fand es traurig, dass man, wenn man das Land regierte, nicht mit seiner Familie zusammen sein konnte. »Warum geht ihr dann nicht nach London und wohnt da alle zusammen?«
»Ich weiß nicht«, antwortete Angelina und legte die Stirn in Falten, was sie selten tat. »Früher waren wir da, aber dann nicht mehr, weil hier in der Gegend Daddys …
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