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Das Bienenmaedchen

Das Bienenmaedchen

Titel: Das Bienenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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mich daran, wie ich in deinem Alter war …« Die Direktorin, die immer so gelassen wirkte, schenkte ihr ein mädchenhaftes Lächeln. »Das Leben ist für Frauen heute anders. Vielleicht werden sich dir Chancen eröffnen, die ich niemals hatte. Beatrice, ich fühle, dein Weg wird nicht gleichmäßig verlaufen. ›Folge der Wahrheit.‹ Das ist es, was wir unseren Mädchen hier beizubringen versuchen.«
    »Das Motto der Schule«, sagte Beatrice.
    »Richtig. Aber ich will dir noch einen anderen Rat geben.« Sie beugte sich ein wenig vor. »Folge deinem Herzen!«
    Beatrice nickte, obwohl sie nicht ganz sicher war, was die Direktorin damit meinte, und spürte, wie sie ein Schauer überlief.
    »Und jetzt, denke ich, ist unsere kleine Unterredung vorüber. Bis zu den Ferien wirst du am Unterricht teilnehmen, und wenn du uns verlässt, wird es in aller Stille vonstattengehen. Ich will die anderen Mädchen nicht verunsichern.«
    »Natürlich. Danke, Miss Pettifer.«
    »Vielleicht findest du gelegentlich die Zeit, mir zu schreiben. Ich freue mich, davon zu hören, wie unsere Mädchen sich machen.«
    Beatrice nickte und schüttelte die ausgestreckte Hand.
    Den Brief nahm sie mit nach oben in ihren Schlafraum. Sie hatte ihn Captain Browning eigentlich ungelesen übergeben wollen, aber als sie ihn in die Schublade legte, sah sie, dass der Umschlag nicht verschlossen war. Vielleicht lag es ja in Miss Pettifers Absicht, dass Beatrice den Inhalt des Briefes kannte. »Sehr geehrte Damen und Herren« … , begann er. Verwundert las sie weiter.
    … wärmstens möchte ich Ihnen Beatrice Marlow empfehlen, die während der letzten zwei Jahre Schülerin an meiner Schule war. Sie ist eine der am meisten mit natürlicher Intelligenz begabten jungen Frauen, denen ich je begegnet bin. Darüber hinaus hat sie ein starkes Pflicht-und Loyalitätsgefühl. Ich entdecke an ihr Fleiß, körperliche Belastbarkeit und eine ruhige Charakterstärke. Ich ahne, dass sie große Dinge vollbringen wird.
    Schwindelig vor Erstaunen las Beatrice den Text abermals. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie das Gefühl, dass sie jemand war, der etwas bedeutete.

KAPITEL 14
    Leicestershire, Juli 1940
    »Bert ist bösartig. Vor dem musst du dich in Acht nehmen! Schau, was er mir vor ein paar Wochen angetan hat, dieser Flegel.« Das Mädchen, Tessa, zog ihren Overall an der Schulter herunter, um Beatrice eine hervortretende, immer noch fahle Bissnarbe zu zeigen, die ihre cremefarbene Schulter verunstaltete. »Hat ziemlich wehgetan – das kann ich dir sagen.«
    »Wie schrecklich!«, sagte Beatrice und warf dem großen rotbraunen Pferd in seiner Box einen nervösen Blick zu. »Was ist mit seinem Auge?« Das Pferd klappte seine Ohren nach hinten und sah sie misstrauisch mit einem rollenden Augapfel an. Das Lid des anderen Auges hing herab. Jetzt, wo sie sich an die Dunkelheit im Stall gewöhnt hatte, konnte sie die langen Narben auf seiner Flanke und Brust erkennen. »Woher hat er das? Der arme Kerl! Wer hat das getan?«
    Tessa zuckte mit den Schultern. »Er ist ein altes Dienstpferd von der Kavallerie. Ging von dem Schiff aus Indien von Bord. Er ist nicht der Einzige, der dort schlecht behandelt wurde. Kein Wunder, dass er sich an den Menschen rächen will.«
    »Wie kann jemand nur so was tun?«, flüsterte Beatrice und streckte ihre Hand zum Tier aus, doch Bert schreckte zurück.
    »Vorsicht!«, mahnte Tessa. »Es ist schändlich – genau das ist es –, ein unschuldiges Tier zu verletzen.«
    Sie gingen weiter zur nächsten Box. »Die hier ist Sunny. Ihrem Namen und ihrer Natur nach.« Tessa rieb die Nase einer sanftmütigen grauen Stute. »Ja, du bist ein Schatz, nicht wahr?« Sie zeigte auf zwei ruhige Zugpferde. »Und die beiden da drüben, das sind Pipp und Wilfred.«
    Beatrice tätschelte sie und schaute dann die lange Reihe von Boxen entlang. Sie fragte sich, wie viele Pferde es hier drinnen wohl gab – zwei Dutzend vielleicht. Und dies war nur eine von vielen Boxreihen in diesem Remontehof.
    Es war Beatrice’ erster Tag. Sie war am Vorabend mit dem Zug in dem Marktflecken in den Midlands angekommen und hatte problemlos den Weg zu der Adresse gefunden, die Captain Browning ihr gegeben hatte. Miss Catherine Warrender, ihre Zimmerwirtin, lebte in einem hübschen, dicht mit Kieselsteinen besetzten Häuschen. In dem kleinen Vorgarten wucherten Malven. Miss Warrender war eine große, kräftige Frau in den Fünfzigern mit einer tiefen, kultivierten Stimme und

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