Das Bienenmaedchen
Sie war etwa Ende zwanzig, dunkelhaarig und geheimnisvoll, und dazu ungeheuer sinnlich. Allerdings hatte sie eine traurige, grüblerische Ausstrahlung. Sie war freundlich zu Tessa und Beatrice, gab jedoch keine vertraulichen Bemerkungen von sich. Wenn sie mittags ihre Sandwiches aßen und Tassen mit starkem, süßem Tee tranken, erzählte Tessa begeistert von Ted, ihrer Sandkastenliebe, der ihr aus einem Lager der Royal Air Force in Kent, wo er dem Bodenpersonal angehörte, Postkarten schrieb. Sarah hingegen sagte nichts, starrte in die Ferne und drehte einen Goldring, den sie am Ringfinger ihrer rechten Hand trug.
Es gab etwas, das alle an Sarah schätzten: Während sich alle jungen Frauen hingebungsvoll um die Tiere in ihrer Obhut kümmerten, schien Sarah eine unheimliche Fähigkeit im Umgang mit Pferden zu besitzen. Es gelang ihr, selbst die nervösesten und misshandelten Tiere zu beruhigen. Es war, als ob sie sie verstehen würde. Selbst Bert versuchte niemals, Sarah zu beißen.
Bei jedem Wetter waren sie draußen. Die Pferde mussten bewegt werden, und Beatrice brauchte nicht lange, um sich mit dem hiesigen Netz aus Landstraßen und Reitwegen vertraut zu machen. Und dann gab es die Abrichtung.
Das Problem war natürlich Bert. An einem Morgen, etwa zwei Wochen nach Beatrice’ Ankunft, entschied Sergeant Dally, dass man es das erste Mal mit Bert vor einem Wagen versuchen sollte. Beatrice war nervös, aber sie traute sich nicht, es zu zeigen. Sie legte dem Pferd einen Beißkorb an. Sie hielt ihn am kurzen Zügel und redete ihm nachdrücklich zu. So schaffte sie es, dass sie ihn herumschieben konnte und er rückwärts auf den Platz neben Stanley ging. Nach ein paar Fehlstarts führte sie die beiden über das Feld und freute sich über Berts Fortschritte. Stanley hatte eindeutig einen beruhigenden Einfluss auf ihn.
Der Sergeant, der alles beobachtete, war allerdings nicht zufrieden. Es dauerte nicht lange, bis er herangeschritten kam und befahl: »Sie setzen sich oben auf den Wagen und sehen, wie sie gehen.«
»Ich glaube nicht, dass er schon so weit ist«, gab Beatrice vorsichtig zu bedenken.
»Tun Sie, was man Ihnen befiehlt!«, erwiderte Dally grob.
Beatrice zuckte mit den Schultern und kletterte auf den Fahrersitz, während Dally die Köpfe der Pferde festhielt.
Sie hantierte mit den Zügeln, und noch bevor sie bereit war, rief der Sergeant: »Ab geht’s!« Zu ihrem Entsetzen schlug er dabei Bert auf das mächtige Hinterteil. Die Pferde sprangen mit solch einem Ruck nach vorn, dass Beatrice Schwierigkeiten hatte, auf ihrem Sitz zu bleiben, und einen Moment lang verlor sie jegliche Kontrolle. Sie klammerte sich fest, als hinge ihr Leben davon ab. Der Wagen polterte von einer Seite auf die andere, und die Deichsel vorn schwenkte hin und her und traf die Pferde.
Beatrice richtete sich schnell auf, rief: »Halt!«, und zog an den Zügeln. Aber das führte nur dazu, dass sich Bert in plötzlicher Panik aufbäumte, und sie spürte, wie der Wagen ebenfalls hochstieg. Die Deichsel traf sie im Gesicht, bevor sie auf dem Boden landete – der Wagen verfehlte sie um Haaresbreite. Sie nahm wahr, dass die Pferde kämpften und voller Schmerz und Panik wieherten.
Ein Geschrei erhob sich, und Leute kamen herbeigerannt.
»Sind Sie in Ordnung, Miss?«, fragte eine Männerstimme, dann wurde die Deichsel fortgehoben. »Versuchen Sie nicht, sich zu bewegen«, sagte der Mann. »Wo tut es weh?«
Beatrice konnte nichts sehen, denn das Blut rann ihr in die Augen, die sie instinktiv zukniff. Sie spürte kräftige Finger an ihrem Hals, die nach dem Puls tasteten und dann ihr Haar zurückstrichen, um die Wunde zu untersuchen.
Dann hörte sie die Stimme einer Frau – es war die von Sarah, die die Pferde beruhigte – und das Klirren des Geschirrs.
»Wie geht es Ihnen?«, erkundigte sich die Männerstimme. Sie öffnete die Augen und sah in ein freundliches Gesicht. Die Augen waren kastanienfarben wie ihre eigenen. Der Name Shaw, Corporal Shaw, kam ihr in den Sinn, bevor sie das Bewusstsein verlor.
Auf Anweisung des Arztes verbrachte sie zwei Tage im Bett. Als sie am Morgen des dritten Tages erwachte, fühlte sie sich besser, obwohl ihre Stirn immer noch geschwollen und zerschrammt war und das Atmen wehtat. Sie mühte sich aus dem Bett und ging zum Fenster, und als sie die Vorhänge zur Seite zog, bot sich ihr ein amüsanter Anblick. Miss Warrender, die von Kopf bis Fuß in Weiß gekleidet war und in einer Rauchwolke ihre
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