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Das Bienenmaedchen

Das Bienenmaedchen

Titel: Das Bienenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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Beatrice stand auf, stieß ihren Stuhl zurück und rannte aus dem Zimmer. Ein paar Minuten später fand ihre Mutter sie, wie sie auf ihrem Bett saß und stumpfsinnig auf den Boden starrte.
    »Was, um Gottes willen, ist los mit dir?«, fragte sie Beatrice. »Du willst uns nicht sagen, warum du London vorzeitig verlassen hast, und seitdem bist du unhöflich und schlecht gelaunt.« Das Mädchen gab ihr keine Antwort, und so ging sie wieder hinunter. Delphine wusste nicht, dass Beatrice einen Brief hinter ihrem Rücken versteckte, den Brief von Rafe.
    Die Sätze trieben in ihrem Kopf herum. »Es war wunderbar, Dich wiederzusehen.« Aber auch: »Als ich Angie wiedergesehen habe, bin ich mir meiner tiefen Gefühle für sie bewusst geworden. Es war, als wäre in meinem Kopf ein Licht angegangen. Bea, ich werde Dich immer als meine teure, teure Freundin schätzen, die mir einst das Leben gerettet und es seither durch Deine Freundschaft und Unterstützung bewahrt hat …«
    Merkst du es denn nicht?, hätte sie ihn am liebsten angeschrien. Du bist ihr in Wirklichkeit egal, sie will nur, dass du in sie verliebt bist. Sie braucht Bewunderung!
    Für Beatrice war nun alles völlig klar. Sie hasste Angelina, weil sie ganz beiläufig die Hand ausgestreckt und sich Rafe gepflückt hatte. Weil sie es konnte. Weil es so leicht war. Verachtete sie Beatrice wirklich so sehr, oder machte sie sich so wenig aus ihr? Was konnte Beatrice dagegen tun oder sagen? Nichts – ohne ihre Würde zu verlieren. Nichts!
    Nach einer Weile hatte sie sich so weit beruhigt, dass sie wieder nach unten gehen konnte. Unter dem unheilvollen, stechenden Blick ihres Vaters nahm sie ihren Platz am Tisch wieder ein und murmelte: »Tut mir leid.«
    »Unser Essen wird kalt, junge Dame«, sagte er nur. »Für das, was uns beschert wird, sollten wir dem Herrn wahrhaft danken.«
    Die Brookers hatten sie zum Tee und zu Gesellschaftsspielen eingeladen. Beatrice versuchte, sich mit der Entschuldigung, sie habe Kopfschmerzen, davor zu drücken. Aber ihre Mutter, die sich Sorgen um sie machte, beharrte darauf, dass sie mitkam und sich durch irgendwelche Silbenrätsel aufheitern ließ. Das gelang nicht. Nach dem Tee las ein anderer Gast, Mr Cyril Thatcher, eines von ihm selbst verfasstes Gedicht vor, das den Titel Bomber über Bethlehem trug. Das Werk des Lokalpoeten von Saint Florian testete ihre Schmerzgrenzen.
    Beatrice hörte, wie ihr Vater ihrer Mutter zuflüsterte: »Davon gibt’s noch eine Menge mehr, stimmt’s?« Sie war erleichtert, als sie kurz danach aufbrachen und unter dem winterlichen Sternenhimmel nach Hause spazierten.
    Als Beatrice im Januar an die Schule zurückkehrte, war sie völlig anders als das Mädchen, das vor den Ferien mit strahlenden Augen und voller Erwartung abgereist war. Alle bemerkten, wie verschlossen sie geworden war und dass sie keinerlei Anteil mehr an ihrer Arbeit oder an anderen Dingen nahm.
    »Beatrice Marlow, wir hören kaum etwas von dir.« Ihre Naturkundelehrerin riss sie aus ihren Gedanken. »Nenne uns die vier Unterstämme der Gliederfüßer, wenn ich bitten darf.«
    Zurückgerissen in die Realität des von Kreidestaub erfüllten Klassenzimmers und unter den neugierigen Augen des Dutzends anderer Mädchen in schwarzen Schürzen stotterte sie eine Antwort hervor, die mehr oder weniger richtig war, und der Unterricht ging weiter. Als die Glocke schellte, hielt Miss Hardwick sie zurück und fragte: »Stimmt irgendetwas nicht, Liebes? So dunkle Schatten unter deinen Augen. Schläfst du gut?«
    Beatrice schlief überhaupt nicht gut. Ihre Träume kreisten um die Erinnerungen an Rafe und Angelina. Manchmal war es eine gezackte albtraumartige Momentaufnahme von den beiden, wie sie zusammen auf dem Sofa saßen. Oder sie sah sich selbst, wie sie in der dunklen, heulenden, stürmischen See nach ihm suchte und ihn diesmal nicht fand.
    »Du hast schon wieder im Schlaf geredet, Marlow. Halt bitte den Mund«, sagte Hilary Vickers eines Morgens streng, aber nicht unfreundlich. Sie war die Enkelin eines Earls und strahlte eine natürliche Autorität aus. Sie war der Ansicht, dass die anderen Mädchen in Larchmont in der sozialen Hierarchie unter ihr standen – womit sie wahrscheinlich recht hatte –, und beanspruchte wie selbstverständlich eine Führungsrolle. Beatrice war ihr jedoch dankbar, denn in ihrem Bestreben, alles zu kontrollieren, hatte Hilary einiges von der an der Schule kultivierten Bosheit ausgemerzt, und dieses Jahr schienen

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