Das Bild - Geschichte einer Obsession
sadomasochistischen Beziehungen das Opfer und es allein das Spiel beherrscht, den Ablauf bestimmt, das Gelingen oder das Scheitern gewährleistet. Doch um meinen guten Willen zu zeigen gegenüber einer grauen Eminenz der Literatur, der ich viel verdankte und die ich sehr schätzte trotz ihrer argwöhnischen Empfindlichkeit oder anderer kleiner Schwächen (er haßte es, wenn man ihm einen Streich spielte, was er jedoch liebend gern mit anderen tat), ersetzte ich schließlich den strittigen Namen durch seine Initialen P. R., die in meiner Vorstellung, zum Beispiel, Paul Robin bedeuteten. Paul ist mein zweiter Vorname, der mir, der Tradition folgend, von meinem Großvater und Paten Paul Canu vermacht worden war.
Ohne unsere späte Entscheidung zu achten, haben mehrere ausländische Verleger den Namen Pauline Réage wiederhergestellt, insbesondere der Amerikaner Barney Rosset, der Histoire d'O gegen die Zensur seines Landes publizierte und mit L'image rückfällig wurde, im gleichen nüchternen Einband, aber schwarz anstatt weiß. [...] Der Roman von Catherine wurde von der Zensur Michel Debrés sofort verboten. Jérôme mußte einige mit einem rosa Seidenband zusammengebundene Exemplare vor einem Justizbeamten verbrennen, um zu vermeiden, daß er im Fall von rechtswidriger Verbreitung belangt wurde.»
Im Dictionnaire des œuvres érotiques (Paris 1971) heißt es über L'image: «Roman von Jean de Berg, Pseudonym eines Autors, der sich nicht enthüllt hat. Veröffentlicht 1956. - Der Stil dieses kleinen, typisch Robbe-Grilletschen Buches trägt durchaus zu dessen Faszinationskraft bei: Die steifen Posen, die Gesten, die in der Schwebe bleiben, die romantischen und erstarrten Dekorationen strahlen in der zeremoniellen und theatralischen Feierlichkeit eines rein deskriptiven Stils diese köstliche, zugleich leichte und hartnäckige Beklemmung aus, die der erfahrene Zuschauer angesichts eines Spiels empfindet, dessen Einsatz beträchtlich ist. Tatsächlich liegt die Besonderheit - und nicht eine der geringsten - dieses Buchs darin, daß die Erotik die Funktion eines Katalysators der Liebe, einer Propädeutik des Gefühls erfüllt.
Claire, eine schöne und ferne junge Frau, lädt Jean, der sie bewundert, ohne sie zu begehren, ein, an ihrem Privatleben teilzuhaben. Jean entdeckt auf diese Weise die Beziehungen, die Claire und Anne, das kleine Modell, verbinden. Eingeweiht in die Mysterien des Tempels, nimmt der neue Adept nicht ohne Vergnügen die wachsende Verwirrung zur Kenntnis, die sich schon bald in seiner Gegenwart der Priesterin dieses besonderen Gottesdienstes bemächtigt. Von da an wird Anne, die lediglich eine vermittelnde Rolle gespielt hat, aufgegeben: Alles wird wieder normal, und man versteht, daß Claire Jean liebte, ohne es sich eingestehen zu wollen; die wahre Partie wird zu zweit gespielt, und der Rest sind Bilder. Diese allerdings sind erlesen: Claire zwingt Anne während eines Spaziergangs an einem öffentlichen Ort, direkt auf der Haut eine zarte und symbolische Rose zu tragen; anschließend ist Jean Zeuge, wie sie uriniert. Nachdem er überrascht Claires Erregung entdeckt hat, als sie mit ihm vielsagende Photos betrachtet, die Anne und sie selbst zeigen, gibt Jean sich nicht mehr mit der Rolle des Voyeurs zufrieden: Im Verlaufe von Sitzungen ritueller Auspeitschung, denen das Mädchen ausgesetzt wird, wird er zum handelnden Komplizen ihrer Peinigerin; während eines denkwürdigen Besuchs in einem Geschäft für weibliche Wäsche tritt er schließlich an Claires Stelle. Ein Sühneopfer bestimmt das jungfräuliche Fleisch Annes zum Opfer der Begierden ihrer Meister. Die Orgie vollzieht sich im Badezimmer, wobei die übersteigerte Gewalt in die Vergewaltigung Annes durch Jean vor den Augen Claires mündet. Nachdem die Transposition auf diese Weise vollkommen verwirklicht worden ist, können Claire und Jean sich endlich einander offenbaren. Das Spiel von Beherrschung und Unterwerfung kehrt sich am Schluß in beglückende Selbsterkenntnis um.»
Susan Sontag sieht in ihrem Essay «Die pornographische Phantasie in L'image » alles von einer einzigen Metapher beherrscht: der Metapher des ‹Bildes› [‹the Image ›] (obgleich der Leser die volle Bedeutung des Titels erst erfaßt, wenn er bis zum Schluß des Buches vorgedrungen ist). Zunächst scheint die Metapher einen klaren, eindeutigen Sinn zu haben: ‹flaches› Objekt, ‹zweidimensionale Fläche› oder ‹passive Reflexion). All das bezieht sich auf
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