Das Bild
hatte eine Art
Hautkrebs bekommen und war vor drei Jahren in den Vorruhestand gegangen, aber 1985 war er Normans Partner gewesen, als die Richie Bender/Wendy Yarrow-Sache über die
Bühne gegangen war. Und wenn sie so über die Bühne
gegangen war, wie Rosie vermutete, dann hatte Harley Norman gedeckt. In großem Maßstab gedeckt. Und nicht nur,
weil er selbst in der Sache mit drinsteckte. Er hatte es getan,
weil das Justizsystem eine Familie und Cops Brüder waren.
Cops sahen die Welt mit anderen Augen als die Angestellten,
die von neun bis fünf arbeiteten (die K-Mart-Einkäufer, in
Normansprache); Cops sahen die Welt mit abgezogener
Haut und zuckenden Nerven. Das machte sie alle ein
bißchen anders; es machte manche sehr viel anders … und
dann gab es da noch Norman.
»Ich denke nicht daran, zur Polizei zu gehen«, sagte Rosie
mit sich überschlagender Stimme. »Anna hat gesagt, das
muß ich nicht, und niemand kann mich zwingen. Die Polizisten sind seine Freunde. Seine Brüder. Sie halten zusammen,
sie -«
»Ruhig«, sagte er ein wenig erschrocken. »Alles in Ordnung, bleib ganz ruhig.«
»Ich kann nicht ruhig bleiben! Ich meine, du hast keine Ahnung. Darum hab ich dich angerufen, weil du nicht weißt,
wie es ist… wie er ist… und wie es zwischen ihm und dem
Rest von ihnen läuft. Wenn ich hier zur Polizei gehen würde,
würden sie dort bei der Polizei nachfragen. Und wenn einer
von ihnen … jemand, der mit ihm arbeitet, der um drei Uhr
morgens mit ihm irgendwo auf der Lauer gelegen hat, der
ihm sein Leben anvertraut hat …« Sie dachte an Harley, an
Harley, der dauernd ihre Brüste anstarrte und jedesmal
nachsah, wo ihr Rocksaum aufhörte, wenn sie sich setzte.
»Rosie, du mußt nicht -«
»Doch, ich mußl« sagte sie mit einer Heftigkeit, die völlig
untypisch für sie war. »Wenn so ein Cop wüßte, wie er sich
mit Norman in Verbindung setzen könnte, würde er es tun. Er
würde sagen, daß ich über ihn geredet habe. Wenn ich ihnen
meine Adresse geben würde - und das muß man, wenn man
eine Beschwerde einreicht -, würde er ihm die auch geben.«
»Ich bin sicher, kein Cop würde -«
»Hast du sie schon mal in deinem Haus gehabt, wo sie
Poker gespielt oder sich Debbie Does Dallas angesehen
haben?«
»Nun … nein. Nein, aber …«
»Ich schon. Ich habe gehört, worüber sie reden, und ich
weiß, was sie über den Rest der Welt denken. Genauso sehen
sie uns, als den Rest der Welt. Sogar die Besten von ihnen. Es
gibt sie.. und dann gibt es noch die Leute, die im K-Mart einkaufen. So ist das.«
Er machte den Mund auf, um etwas zu sagen, war aber
nicht sicher, was, daher machte er ihn wieder zu. Die Vorstellung, daß Norman die Adresse ihres Zimmers in der Trenton
Street herausfinden könnte, weil ein Polizist die Signaltrommeln schlug, hatte etwas Überzeugendes, aber das war nicht
der Hauptgrund, warum er still blieb. Ihr Gesichtsausdruck
- die Miene einer Frau, die eine verhaßte und unfreiwillige
Reise zurück in eine unglückliche Zeit unternommen hat -,
sprach schon dafür, daß er ohnehin nichts sagen konnte, das
sie überzeugt hätte. Sie hatte Angst vor den Cops, das war
alles, und er war alt genug, zu wissen, daß man nicht alle
Schreckgespenster mit Logik vertreiben konnte.
»Außerdem«, sagte sie, »meinte Anna, daß ich das gar
nicht müßte. Anna sagte, wenn es wirklich Norman ist, würden sie ihn zuerst sehen, nicht ich.«
Bill dachte darüber nach und entschied, daß es logisch
klang. »Was wird sie unternehmen?«
»Sie hat schon angefangen. Sie hat einer Frauengruppe
daheim - wo ich herkomme - ein Fax geschickt und ihnen
mitgeteilt, was hier los ist. Sie hat sie gebeten, irgendwelche
Informationen über Norman herzuschicken, und sie haben
nur eine Stunde später einen ganzen Stapel Material zurückgefaxt, einschließlich der Fotos.«
Bill zog die Brauen hoch. »Schnelle Arbeit, besonders nach
Feierabend.«
»Zu Hause ist mein Mann jetzt ein Held«, sagte sie niedergeschlagen. »Wahrscheinlich mußte er seit einem Monat keinen Drink mehr selbst bezahlen. Er hatte das Kommando
über ein Team, das einen großen Drogenring geknackt hat.
Sein Bild war zwei oder drei Tage hintereinander auf der
ersten Seite der Zeitung.«
Bill pfiff durch die Zähne. Vielleicht war sie doch nicht so
paranoid.
»Die Frau, der Anna ihre Bitte übermittelte, ist noch einen
Schritt weiter gegangen«, fuhr Rosie fort. »Sie rief das Polizeirevier an und fragte, ob sie ihn sprechen könnte. Sie
erzählte eine große
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