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Das Bild

Das Bild

Titel: Das Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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unfähige Trottel waren - sie
mußten ihn gesehen haben, er war der einzige, der sich i m Freien
aufhielt -, und er wollte, daß sie einen Mann sahen, der seine Füße
betrachtete, der um jeden Schritt kämpfte. Ein Mann, der
entweder betrunken oder krank war.
Er hatte inzwischen die rechte Hand in den Mantel gesteckt
und massierte sich die linke Brustseite. Er konnte spüren, wie die
Klinge des Brieföffners, den er in dieser Hand hielt, kleine
Furchen in sein Hemd zog. Als er sich seinem Ziel näherte,
stolperte er kurz – nur ein mittelschweres Stolpern - und blieb
stehen. Er stand vollkommen still, hielt den Kopf gesenkt, zählte
bis fünf und ließ seinen Körper keinen Millimeter schwanken.
Inzwischen dürfte ihre erste Vermutung - daß es sich um Mr.
Suffkopp handelte, der nach ein paar Stunden im Dew Drop Inn
nach Hause ging - anderen Mutmaßungen gewichen sein. Aber
er wollte, daß sie zu ihm kamen. Sollte es erforderlich sein,
würde er zu ihnen gehen, aber wenn er das tat, würden sie ihn
wahrscheinlich niederschießen.
Er machte wieder drei Schritte, nicht auf den Streifenwagen
zu,sondern auf die nächste Treppe. Er packte das kalte, vom
Nebel beschlagene schmiedeeiserne Geländer, das an der Seite
der Treppe verlief, blieb wieder keuchend stehen, Kopf immer
noch gesenkt, und hoffte, daß er wie ein Mann aussah, der einen
Herzanfall hatte,
und nicht wie einer, der einen Brieföffner unter seinem Mantel
versteckt hatte.
Als er gerade zu dem Schluß kommen wollte, daß er einen schweren Fehler gemacht hatte, wurden die Türen des Polizeiautos
aufgestoßen. Er hörte es mehr, als er es sah, und dann hörte er ein
noch erfreulicheres Geräusch: Schritte, die auf ihn zu kamen.
Jesses, Rocky, die Cops, dachte er und riskierte einen kurzen
Blick. Er mußte ihn riskieren, mußte ihre jeweilige Position
kennen. Wenn sie nicht dicht nebeneinander waren, würde er
einen Zusammenbruch vortäuschen müssen … und das war nicht
ganz ungefährlich. In diesem Fall würde einer von ihnen
wahrscheinlich zu dem Streifenwagen laufen und über Funk
einen Krankenwagen rufen.
Sie waren ein typisches Charlie-David-Team, ein Veteran
und ein Bürschiein, das noch grün hinter den Ohren war.
Norman kam der Grünschnabel unheimlich vertraut vor, wie
jemand, den er schon im Fernsehen gesehen hatte. Aber das
spielte keine Rolle. Sie standen dicht beisammen, fast Schulter
an Schulter, und das spielte eine Rolle. Das war sehr schön.
Bequem.
»Sir?« fragte der Linke - der Ältere. »Sir, haben Sie ein
Problem?«
»Tut verdammt weh«, keuchte Norman.
»Was tut weh?« Immer noch der Ältere. Da war ein entscheidender Augenblick, noch nicht der Zeitpunkt, um zuzustoßen,
aber fast. Der ältere Cop konnte seinem Partner jeden Moment
den Befehl geben, den Notarzt anzufordern, und dann säße er in
der Patsche, aber er konnte noch nicht losschlagen; sie waren ein
ganz klein bißchen zu weit entfernt.
In diesem Augenblick fühlte er sich wieder als Herr der Lage,
wie seit Beginn dieses Unternehmens nicht mehr: kalt und klar
und vollkommen hier; er bekam alles mit, von den
Nebeltröpfchen auf dem schmiedeeisernen Geländer, bis zu
einer schmutziggrauen Taubenfeder, die neben einer zerknüllten
Kartoffelchipspackung im Rinnstein lag. Er konnte das leise,
regelmäßige Zischeln hören, mit dem die beiden Cops Luft holten.
»Da drin«, stöhnte Norman und rieb sich mit der rechten
Hand unter dem Mantel die Brust. Die Spitze des Brieföffners
stieß durch
sein Hemd und piekste ihn in die Haut, aber er merkte es kaum.
»Als hätte ich eine Gallenkolik, nur in der Brust.«
»Vielleicht sollte ich besser einen Krankenwagen rufen«, sagte
der jüngere Cop, und plötzlich wußte Norman, an wen der junge
Bursche ihn erinnerte: an Jerry Mathers, den Jungen, der Biber in
Lieber Biber gespielt hatte. Er hatte bei der Wiederholung alle
Sendungen auf Kanal n gesehen, manche fünf- oder sechsmal.
Aber der ältere Cop hatte kein bißchen Ähnlichkeit mit ‘Wally,
Bibers älterem Bruder.
»Wart noch’n Augenblick«, sagte der ältere Cop, und dann
schenkte er Norman unglaublicherweise die Gelegenheit, auf die er
gewartet hatte. »Ich seh mir das mal an. Ich war Sanitäter in der
Armee.«
»Mantel … Knöpfe …« sagte Norman, der Biber aus den
Augenwinkeln beobachtete.
Der ältere Cop kam noch einen Schritt näher. Er stand jetzt
unmittelbar vor Norman. Biber kam ebenfalls einen Schritt auf ihn
zu. Der ältere Cop machte den obersten Knopf von Normans

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