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Das Bild

Das Bild

Titel: Das Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Vogels gleicht
-, und der Ball saust als
gerade weiße Linie den Tunnel entlang. Er trifft auf den
Draht… und geht durch. Das Loch, das er hinterläßt, sieht
wie das einer auf kurze Distanz abgefeuerten Schrotflinte
aus.
Der Junge mit der Zigarette steht wie erstarrt da, das
Streichholz verbrennt ihm die Finger.
»Was hast du gesagt, Kumpel?« fragt der erste Junge leise.
7
    Einen Monat später, als die Saison zu Ende ist und das
Sportzentrum schließt, unterbricht Rhoda Simons plötzlich
Rosies Lesung des neuen Romans von Gloria Naylor und
sagt ihr, daß sie Feierabend machen. Rosie protestiert, es sei
noch zu früh. Rhoda stimmt zu, sagt ihr aber, daß ihre Ausdruckskraft nachläßt; es wäre besser, morgen weiterzumachen, sagt sie.
    »Ja, schon, aber ich will heute fertig werden«, sagt Rosie.
»Es sind nur noch zwanzig Seiten. Ich will das verdammte
Ding zu Ende bringen, Rho.«
    »Was Sie jetzt machen, müssen wir nur wiederholen«, sagt
Rhoda abschließend. »Ich weiß nicht, wie lange Pamelacita Sie gestern nacht wach gehalten hat, aber heute sind Sie nicht
so gut drauf.«
8
    Rosie steht auf, geht zur Tür und reißt sie so fest auf, daß die schweren, lautlosen Scharniere fast brechen. Im Kontrollraum packt sie
die plötzlich völlig erschrockene Rhoda Simons am Kragen ihrer
gottverdammten Bluse von Norma Kamali und schlägt ihr Gesicht
auf das Mischpult. Ein Schubregler durchbohrt ihre feingeschnittene Nase wie eine Grillgabel. Blut spritzt überall hin, perlt auf das
Studiofenster und läuft in häßlichen, dunkelroten Streifen daran
hinunter.
    »Rosie, nein!« schreit Curt Hamilton. »Mein Gott, was machen
Sie da?«
Rosie gräbt die Nägel in Rhodas pulsierende Kehle und reißt sie
auf, hält das Gesicht in den heißen Blutstrahl und will darin baden,
will sich für dieses neue Leben taufen, gegen das sie sich so albern
gewehrt hat. Sie muß Curt keine Antwort geben; sie weiß genau,
was sie da macht, sie übt Vergeltung, das macht sie, Vergeltung, und Gott stehe allen bei, die auf der falschen Seite ihres Rechnungsbuchs stehen. Gott stehe
9
    »Rosie?« ruft Rhoda durch die Sprechanlage und reißt sie
aus diesem gräßlichen, und doch zutiefst faszinierenden Tagtraum. »Alles in Ordnung?«
    Beherrsche dich, kleine Rosie.
Beherrsche dich und vergiß den Baum nicht.
Sie senkt den Blick und sieht, daß sie ihren Bleistift in zwei
    Stücke zerbrochen hat. Sie betrachtet die beiden Bruchstücke
einen Moment und versucht, ihren rasenden Herzschlag
unter Kontrolle zu bringen. Als sie denkt, daß sie mit mehr
oder weniger gelassener Stimme sprechen kann, sagt sie: »Ja,
alles klar. Aber Sie haben recht, die Kleine hat mich bis spät
in die Nacht auf Trab gehalten, und ich bin müde. Packen wir
zusammen.«
    »Kluges Mädchen«, sagt Rhoda, und die Frau auf der
anderen Seite der Glasscheibe - die Frau, die den Kopfhörer
mit Händen abnimmt, die nur ein klein wenig zittern, denkt: Nein. Nicht klug. Wütend. Wütendes Mädchen.
    Ich vergelte, flüsterte eine Stimme tief in ihrem Inneren. Früher oder später, kleine Rosie, vergelte ich. Ob du willst, oder
nicht, ich vergelte.
IO
    Sie rechnet damit, daß sie die ganze Nacht wach bleiben
wird, aber kurz nach Mitternacht schläft sie kurz ein und
träumt. Sie träumt von dem Baum, dem Baum, und als sie
aufwacht, denkt sie: Kein Wunder, daß es mir so schwergefallen
ist, es zu verstehen. Kein Wunder. Ich habe die ganze Zeit an den
falschen gedacht.
    Sie legt sich zurück neben Bill, schaut zur Decke und denkt
über den Traum nach. Sie hat Schreie von Möwen über dem
See gehört, die immerzu kreischten, und Bills Stimme. Ihnen
wird nichts geschehen, wenn sie normal bleiben, hat Bill gesagt. Wenn sie normal bleiben und den Baum nicht vergessen.
Sie weiß, was sie tun muß.
     
II
    Am nächsten Tag ruft sie Rhoda an und sagt, daß sie nicht
kommen kann. Ein Grippeanfall, sagt sie. Dann fährt sie auf
der Route 27 nach Shoreland, diesmal allein. Neben ihr auf
dem Sitz liegt ihre alte Handtasche, die sie aus Ägypten mitgebracht hat. Um diese Tages- und Jahreszeit hat sie das Picknickgelände für sich allein. Sie zieht die Schuhe aus, stellt sie
unter einen Picknicktisch und geht durch das seichte Wasser
am Seeufer nach Norden, wie damals mit Bill, als er sie zum
erstenmal hierher brachte. Sie befürchtet, daß sie Schwierigkeiten haben könnte, den zugewachsenen Pfad zu finden,
der vom Ufer aus hochführt, aber es gelingt ihr auf Anhieb.
Als sie hinaufgeht und

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