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Das Bild

Das Bild

Titel: Das Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ich mir einen Stütz-BH.«
Sie hatte in ihrem ganzen Leben noch nie etwas Derartiges zu einem Mann gesagt - es war regelrecht anzüglich -,
aber sie hatte sich auch in ihrem ganzen Leben noch nie
so gefühlt … als würde sie im Weltraum Spazierengehen
oder schwindelig über ein Hochseil ohne Netz laufen. Aber
war es in gewisser Weise nicht perfekt? War es nicht der einzig angemessene Epilog zu ihrer Ehe? Ich hob mich für den
Klunker entschieden, hörte sie ihn im Geiste sagen; seine
Stimme hatte gefühlvoll gebebt, und seine grauen Augen
waren sogar ein wenig feucht geworden. Weil ich dich liebe,
Rose.
Einen Augenblick rückte der hysterische Lachanfall in
greifbare Nähe. Sie hielt ihn durch schiere Willenskraft auf
Armeslänge von sich.
»Ist er überhaupt etwas wert?« fragte sie. »Irgendwas? Oder
hat er ihn irgendwo aus einem Kaugummiautomaten gezogen?«
Diesmal bemühte er gar nicht erst die Lupe, sondern hielt
den Ring nur wieder ins Sonnenlicht. »Tatsächlich ist er ein bißchen was wert«, sagte er und schien erleichtert, daß er
immerhin doch eine gute Nachricht für sie hatte. »Der Stein
liegt in der Preisklasse zehn Dollar, aber die Fassung … die
könnte schon an die zweihundert gekostet haben. Natürlich
kann ich Ihnen soviel nicht dafür geben«, fügte er hastig
hinzu. »Mein Dad würde mir die Hölle heiß machen. Oder
nicht, Robbie?”
»Dein Dad macht dir immer die Hölle heiß«, sagte der alte
Mann, der bei den Taschenbüchern kauerte. »Dafür sind Kinder da.« Er sah nicht auf.
Der Juwelier sah ihn an, dann wieder Rosie und steckte
sich einen Finger in den halboffenen Mund, als wolle er sich
übergeben. Die Geste hatte Rosie seit der High School nicht
mehr gesehen, sie mußte lächeln. Der Mann mit der Weste
erwiderte das Lächeln. »Ich könnte Ihnen fünfzig dafür
geben«, sagte er. »Interessiert?«
»Nein, danke.« Sie hob den Ring auf, betrachtete ihn nachdenklich und wickelte ihn dann in das unbenutzte Kleenex
in ihrer Hand.
»Versuchen Sie es in den anderen Geschäften hier in der
Gegend«, sagte er. »Wenn jemand sagt, daß er Ihnen mehr
gibt, gehe ich mit. Das ist Dads Geschäftspolitik, und es ist
eine gute Geschäftspolitik.«
Sie ließ das Kleenex in die Handtasche fallen und klappte
sie zu. »Danke, ich glaube nicht«, sagte sie. »Ich behalte ihn.«
Sie stellte fest, daß der Mann bei den Taschenbüchern den der Juwelier Robbie genannt hatte - sie mit einem seltsam konzentrierten Gesichtsausdruck ansah, aber Rosie
beschloß, daß ihr das einerlei war. Sollte er sie doch ansehen.
Dies war ein freies Land.
»Der Mann, der ihn mir geschenkt hat, hat behauptet, er
sei soviel wert wie ein neues Auto«, sagte sie. »Können Sie
sich das vorstellen?«
»Ja«, antwortete er wie aus der Pistole geschossen, und sie
erinnerte sich, wie er ihr gesagt hatte, daß sie sich in bester
Gesellschaft befand, daß eine Menge Frauen hierherkamen
und unangenehme Wahrheiten über ihre Kostbarkeiten
erfuhren. Sie vermutete, daß dieser Mann trotz seiner Jugend
schon eine Menge Variationen desselben Grundthemas
gehört haben mußte.
»Ich kann es mir denken«, sagte sie. »Nun, dann sollten Sie
verstehen, weshalb ich den Ring behalten möchte. Sollte ich
mich je in einen anderen verlieben - oder auch nur glauben,
daß ich es tue -, kann ich ihn hervorholen, ansehen und darauf warten, daß das Fieber nachläßt.«
Sie mußte an Pam Haverford denken, die lange, unregelmäßige Narben an beiden Unterarmen hatte. Im Sommer 1992 hatte ihr Mann sie betrunken durch eine Glastür
gestoßen. Pam hatte die Arme gehoben, um das Gesicht zu
schützen, als sie durch die Scheibe flog, das Ergebnis waren
sechzig Stiche an einem und hundertundfünf am anderen
Arm. Und trotzdem zerfloß sie fast vor Glück, wenn ein Bauarbeiter oder Anstreicher ihr nachpfiff, und wie sollte man
das nennen? Ausdauer oder Dummheit? Anpassungsfähigkeit oder Amnesie? Rose bezeichnete es insgeheim als
Haverfords Syndrom und hoffte nur, daß sie ihm nicht verfiel.
»Wie Sie meinen, Ma’am«, antwortete der Juwelier. »Aber
es tut mir leid, daß ich der Überbringer schlechter Nachrichten bin. Ich persönlich finde ja, genau deshalb haben Pfandleihen ihren schlechten Ruf. Wir haben fast immer die Aufgabe, den Leuten zu sagen, daß die Sachen nicht das sind,
wofür sie sie halten. Niemand mag das.«
»Nein«, stimmte sie zu. »Das mag niemand, Mr….«
»Steiner«, sagte er. »Bill Steiner. Mein Dad ist Abe Steiner.
Hier ist unsere

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