Das Bild
der Tür der Kneipe stand
und sie ansah. Mit ihr
(he Baby he Baby)
redete. Oder sie anquatschte. Diese Erinnerungen beschäftigten ihr Denken eine ganze Weile, wie es nur unsere
schlimmsten Erfahrungen vermögen - Erinnerungen an Zeiten, als wir uns verloren und hilflos fühlten, und völlig
außerstande, unser Leben selbst in die Hand zu nehmen -,
und daher lief sie am Hot Pot vorbei, ohne es überhaupt zu
sehen, so blicklos und voller Abscheu waren ihre unachtsamen Augen. Sie dachte immer noch an den Mann im Türrahmen der Bar, und überlegte, wie sehr er ihr angst gemacht
und wie sehr er sie an Norman erinnert hatte. Nichts an seinem Gesicht; hauptsächlich seine Haltung. Die Art, wie er
dagestanden hatte, als wäre jeder Muskel gespannt, und
zum Sprung bereit und als reiche auch nur ein einziger Blick
von ihr, um ihn von der Leine zu lassen
Eine Hand packte sie am Oberarm, und Rosie hätte beinahe laut aufgeschrien. Sie sah sich um und rechnete damit,
entweder Norman oder den Mann mit dem dunkelroten
Schnurrbart zu sehen. Statt dessen sah sie einen jungen
Mann in einem konservativen Sommeranzug. »Tut mir leid,
wenn ich Sie erschreckt habe«, sagte er, »aber ich dachte
einen Augenblick, Sie würden direkt vor die Autos laufen.«
Sie sah sich um und stellte fest, daß sie an der Ecke Hitchens und Watertower Drive stand, einer der verkehrsreichsten Kreuzungen der Stadt, und mindestens drei ganze
Blocks vom Hot Pot entfernt, möglicherweise vier. Der Verkehr sauste vorbei wie ein Fluß aus Metall. Plötzlich kam ihr
der Gedanke, daß ihr der junge Mann an ihrer Seite möglicherweise das Leben gerettet hatte.
»D-danke. Vielen Dank.«
»Kein Problem«, sagte er, als auf der gegenüberliegenden
Seite des Watertower Drive das grüne Licht der Fußgängerampel aufleuchtete. Der junge Mann warf Rosie einen letzten
neugierigen Blick zu, dann trat er mit den anderen Fußgängern vom Bordstein auf den Zebrastreifen und verschwand
in der Menge.
Rosie blieb stehen, wo sie war, und verspürte die vorübergehende Verwirrung und Erleichterung von jemand, der aus
einem wirklich schlimmen Alptraum erwacht ist. Und genau
den hatte ich, dachte sie. Ich war wach, und bin die Straße entlang
spaziert, aber ich hatte trotzdem einen schlimmen Traum, Oder
eine Erinnerung. Sie sah an sich hinab und stellte fest, daß sie
die Handtasche mit verkrampften Händen an sich drückte,
wie damals, vor fünf Wochen, während der langen, beängstigenden Suche nach der Durham Avenue. Sie schlang den
Träger über die Schulter, drehte sich um und ging den Weg
zurück, den sie gekommen war.
Das schicke Einkaufszentrum der Stadt fing gleich hinter
dem Watertower Drive an; das Viertel, das sie gerade passierte, während sie den Watertower Drive hinter sich ließ,
bestand aus viel kleineren Geschäften. Viele sahen etwas heruntergekommen aus, etwas verzweifelt an den Rändern.
Rosie ging langsam und sah in Second-Hand-Bekleidungsgeschäfte, die versuchten, sich als Grunge-Boutiquen auszugeben; in Schuhgeschäfte mit Schildern wie KAUFT AMERIKANISCHE SCHUHE und RÄUMUNGSVERKAUF in den
Fenstern; in einen Laden der »All-for-a-Dollar«-Kette, in dessen Schaufenster sich Puppenbabys aus Mexiko oder Manila
türmten; in ein Ledergeschäft namens Motorcycle Mama
und in ein Geschäft namens Avec Plaisir, wo eine erstaunliche Auswahl von Gegenständen - Dildos, Handschellen und
im Schritt offene Slips
- auf schwarzem Samt ausgestellt
waren. Da schaute sie eine ganze Weile hinein, wunderte
sich, daß die Sachen da lagen, wo jeder sie sehen konnte, und
überquerte schließlich die Straße. Einen halben Block entfernt konnte sie das Hot Pot sehen, aber inzwischen hatte sie
beschlossen, doch lieber auf Kaffee und Kuchen zu verzichten; sie wollte einfach mit dem nächsten Bus zu D & S
zurückfahren. Genug Abenteuer für einen Tag.
Aber es kam anders. An der gegenüberliegenden Ecke der
Kreuzung, die sie gerade überquert hatte, sah sie eine unscheinbare Ladenfassade mit einem Neonschild, PFANDLEIHHAUS - JUWELEN AN- UND VERKAUF, im Schaufenster. Letzteres erweckte Rosies Aufmerksamkeit. Sie betrachtete erneut ihren Verlobungsring und mußte an etwas
denken, was Norman ihr kurz vor der Hochzeit gesagt hatte Wenn du den auf der Straße trägst, dann dreh den Stein nach
innen, Rose. Es ist ein verdammt großer Klunker, und du bist nur
ein kleines Mädchen.
Sie hatte ihn einmal gefragt (bevor er ihr beigebracht hatte,
daß es sicherer war, keine Fragen zu stellen),
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