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Das bin doch ich

Das bin doch ich

Titel: Das bin doch ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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Fond Foer und ich. Weil ja irgend etwas geredet werden muß, erzähle ich meine Londoner Lieblingsgeschichte. Als ich dort die Übersetzung meines ersten Romans präsentierte, bat ich die Anwesenden um Entschuldigung dafür, auf Deutsch zu ihnen zu sprechen, mein Übersetzer werde gewiß so freundlich sein, meine Worte zu dolmetschen. Ich redete also über mein Buch, dann nickte ich meinem Übersetzer zu. Er entschuldigte sich, er könne nicht. Sein Sprechdeutsch sei leider schlechter als sein Lesedeutsch.
    Foer will es nicht glauben. Aber die Geschichte ist wahr, und ich erzähle noch, wie sie weiterging. Ich mußte also den ganzen Abend vor ein paar Dutzend Journalisten auf Englisch bestreiten. Tage später las ich in einem Zeitungsartikel über die Veranstaltung den Satz: »In his reasonable but not perfect English Mr. Glavinic said…« Foer lacht wieder, winkt ab: »No no, it’s more than reasonable.« Ich Trottel freue mich auch noch.
    Er ist vor einem Jahr schon einmal in Wien gewesen. Hat Werner Schlager interviewt, ob ich ihn kenne. Moment, du hast Werner Schlager in Wien interviewt? Ja, ob Schlager hierzulande berühmt ist. Ein großartiger Spieler. Und so unterhalten wir uns über Werner Schlager, den auch ich beeindruckend finde, während vorne Gratzer verzweifelt einen Parkplatz sucht und vermutlich nicht weiß, daß Werner Schlager Tischtennis-Weltmeister war. Er findet keine Lücke, so läßt er uns vor der Tür des Gasthauses Wild aussteigen.
    Foer und ich sitzen nebeneinander. Er bestellt Fisch und Wasser, ich ein Glas Wein. Er fragt mich, ob dies eine typisch österreichische Gastwirtschaft ist. Bedauernd schüttele ich den Kopf: »It’s a bit too clean and the waiter is too polite.«
    Verstohlen betrachte ich die Berühmtheit neben mir. Foer wirkt besonnen, klug, geistreich. Er hat das, was Karl May ein »feines, durchgeistigtes Gesicht« nennt, und das erinnert mich nicht ganz leidlos daran, daß ich das nicht habe, daß man meinem Gesicht nicht Bildung abliest oder Geistestiefe oder Scharfsinnigkeit oder die Lektüre von Tausenden Büchern, sondern – naja, irgend etwas anderes.
    Maurer stößt zu uns, nun sitzen am Tisch etwa zehn Personen – Buchhändler, Verlagsleute, Mitarbeiter des Rabenhofs. Mit mir geht es schon bergab, ich beginne mich aufzuspielen. Die nette Pressefrau vom Kiepenheuer-Verlag, die den Autor betreut, bitte ich, ihren Chef, den ich einmal flüchtig kennengelernt habe, von mir zu grüßen. Sie nickt, aber gern. Von wem sie ihn grüßen lassen soll, will sie nicht wissen, aber das fällt mir erst später auf.
    Maurer, der Connaisseur, sucht den Weißwein aus. Foer sagt, er bevorzugt Rotwein, will aber keine Flasche bestellen. Wir überreden ihn zu einem Glas Veltliner, er sagt, es schmeckt ihm, aber er nippt nur daran. Was ist denn das für ein Kerl, ich rede auf ihn ein wie ein russischer Bauer, er soll sich ordentlich einen ansaufen, und er lächelt und hält die Hand über das Glas. Wenigstens haben wir ihm das Erlebnis eines Nationalgetränks verschafft. Maurer ist sehr durstig (oder bin ich auch durstig?), und es kommt die nächste Flasche. Ich trinke, höre dem Gast zu, bewundere nebenbei neidvoll sein dichtes Haar und bemühe mich, nicht herumzuschreien oder andere Dinge zu tun, die einen gebildeten, wohlerzogenen jungen Mann aus den Vereinigten Staaten schockieren könnten. Was bedeutet es wohl für einen erfolgreichen amerikanischen Schriftsteller, den Coetzee und Rushdie ein Wunderkind nennen, in Wien im Gasthaus Wild zu sitzen und Wiener Literaturinteressierten beim Trinken zuzusehen?
    Gegen Mitternacht, als die sechste Flasche kommt, verabschiedet er sich, er muß am nächsten Morgen nach München fliegen. A pleasure to meet you. Ich hatte auch mal eine Lesung in München, es kamen zwölf Leute.
    Es wird allmählich dunkler um mich, die Gedanken werden langsamer.
    Ein SMS von Else. Die chinesische Alkoholikerin aus dem Keller ist durchgedreht und läutet bei uns Sturm. Ich versuche aufzustehen, komme nicht hoch, ich schreibe zurück: Stell die Klingel ab . Sie: Wann kommst du? Ich: Bald .
    Wieder verabschiedet sich jemand. Händeschütteln, hinsetzen, weitertrinken. Ich höre zu. Das Thema lautet Literaturveranstaltungen in Wien. Ich weiß überhaupt nicht, mit wem ich da rede. Ohne es selbst zu merken, ziehe ich mich aus dem Gespräch zurück. Es wird immer dunkler. Gegen zwei schaue ich auf. Gratzer sitzt da und spricht, Maurer sitzt da und spricht. Da kann

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