er hämmert auf das Autodach, der Fahrer rast in Panik davon. Der Irre kommt zurück, sieht mich an, und ich falle beinahe um, solcher Wahnsinn leuchtet aus diesem Blick.
Keine zehn Meter von mir entfernt steht ein Kerl, der den Stahlkörper eines Söldners hat, mitten in einer hochaggressiven Psychose steckt und mich böse ansieht.
Er macht einen Schritt auf mich zu. Ich stehe da wie gelähmt. Ein Auto hupt ihn an, er zuckt zusammen, dann geht er auf das Auto los, und es stört ihn nicht, daß es zufällig ein Lkw ist. Ich laufe davon. Auf der Straße bildet sich ein enormer Stau, der Irre blockiert den gesamten Verkehr auf der Wienzeile. Ich bin unschlüssig, was macht man in so einem Fall? Zum ersten Mal seit längerer Zeit bin ich froh, als ich einen Polizisten sehe.
»Guten Tag, ich wollte Ihnen nur sagen…«
»…daß da vorne viele Schwarzafrikaner sind, die dealen. Nicht wahr? Das wollten Sie sagen. Ja? Nicht wahr?«
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Ingrid Thallner
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nun, schade. seltsame sache. wieso sind sie nicht aufgetaucht?
so viel angst kann man vor ärzten gar nicht haben dass man einfach nicht zu einem treffen ins cafe geht.
nun, sie werden schon ihre gründe gehabt haben. müssen es auch nicht sagen.
schönen tag noch,
ingrid thallner
Liebe Ingrid Thallner,
waren Sie etwa die Dame, die die Wirtschaftswoche gelesen, geraucht und Cola getrunken hat? Nicht nur, weil ich zumindest zwei dieser drei Handlungen als arztuntypisch qualifiziert habe, sondern weil Sie mir nie einen Blick zugeworfen haben, kam ich nicht auf den Gedanken, Sie anzusprechen. Ich saß ja als einziger Mann im Lokal und war überzeugt, Sie würden mich schon nicht übersehen.
Wirklich schade! Es tut mir sehr leid. In den nächsten Tagen habe ich viel zu tun – vielleicht ergibt sich in einer oder zwei Wochen wieder Gelegenheit für eine Zusammenkunft.
Liebe Grüße
TG
Ich spiele zwei Stunden Civilization , dann steige ich wieder ins Netz ein.
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Gier. Adrenalin. Wer? Meine Agentin? Jemand, der mich zu einer Lesung einladen will? Eine Studentin mit einer Anfrage für ihre Dissertation?
Ingrid Thallner
Re: Re: Angst?
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Ingrid Thallner
noch was
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Ingrid Thallner
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Ingrid Thallner
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da hört sich doch alles auf.
da sitzt ein mann im cafe, der mich nicht beachtet, in sein buch vertieft ist, kaffee trinkt und ab und zu telefoniert.
die kerle an der theke mustern mich mit geilem grinsen – hm. der junge mit dem laptop macht auch nicht den eindruck eines journalisten, der auf jemanden wartet.
habe mehrfach nachgedacht ob einer der anwesenden der journalist sein könnte und bin nur auf sie gekommen, aber sie haben in ihrem buch gelesen, gekichert und mit dem gesicht gezuckt sodass ich sicher war, sie seien es nicht.
ausserdem habe ich nicht den nerv, alleinsitzende (alleinstehende?) männer in cafes anzustarren.
nun. es scheint, als hätten wir beide eine schüchterne ader. nein, sie als journalist wahrscheinlich nicht, ich sehr wohl. bei ihnen nennt man das sicher einfach taktvoll.
rauchen… wirtschaftswoche… cola… was davon machen ärzte denn nicht? ich glaube eher, dass sie etwas an meinem äußeren an meinem arztsein zweifeln hat lassen, nicht wahr? was war es denn? meine figur? dass ich nicht hohe schuhe trug? die wirtschaftswoche allein kann’s doch nicht gewesen sein, oder?
habe mich zu Hause geärgert, dass ich nicht bis fünf gewartet habe, denn ich weiss ja, sie haben einen sohn, und mit kindern kann es bald mal verspätung geben.
aber wir wären vermutlich bis 6 so dagesessen.
ich hätte sie nie angesprochen. dafür bin ich einfach zu feige. und ich hätte es mir nie verziehen, wenn sie es nicht gewesen wären.
der fehler war, wir hätten unsere telefonnummern austauschen sollen. Meine ist 0650/….
irgendwie ist die sache ja zum lachen. dennoch tut es mir sehr sehr leid dass es so gekommen ist.
ganz liebe grüße
ingrid thallner
Das zweite Email.
ach ja, das hatte ich vergessen: ich habe sogar eigens meinen »kurier«-regenschirm zu Hause gelassen und eine regenjacke angezogen, um sie nicht zu verunsichern! ☺
…weil Sie ja beim »Standard« arbeiten, Herr Glavinic, ergänze ich. Die weiß überhaupt nicht, daß ich Schriftsteller bin, die hält mich wirklich für einen Journalisten! Ich hole mir Kaffee. Das Telefon läutet, ich zucke zusammen. In akutem Verfolgungswahn fürchte ich, es könnte die Verrückte sein, die irgendwie meine Nummer herausbekommen hat.