Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)
schiebt aber jemand Kohldampf. Jetzt guck nicht wie ein deprimierter Speckpfannkuchen. Willst du einen Schluck Rotwein?«
Niki verzehrte sich nach einem Schluck Rotwein. »Aber ist das nicht streng untersagt?«
»Bedingungslose Grundversorgung mit Alkohol ist ein Menschenrecht«, widersprach Walburga und rülpste. Sie erhob sich umständlich, was eine ganze Weile dauerte. Dann schenkte sie Niki ein Glas ein.
»Wohl bekomm’s, Prinzessin.«
Selig trank Niki das Glas in einem Zug aus. Sie hielt inne. Ach, du dickes Dotter. Schon stieg das Gefühl nagender Reue in ihr hoch. Sie stellte das Glas auf den Küchentresen zurück.
»Was habe ich bloß getan?«
»Das einzig Richtige«, erwiderte eine der beiden Damen. »Man kann nicht immer nur hungern.«
»Aber ich bezahle ein Vermögen dafür, dass die mir das fiese Fett von den Hüften hauen«, jammerte Niki. »Am besten, ich lass das Ganze und fahre wieder nach Hause.«
Walburga klatschte sich eine weitere Ladung Spaghetti auf den Teller. »Nee, nee, so einfach ist das nicht. Das Vitalis ist wie ein Handyvertrag: Einmal unterschrieben, und du kommst nie wieder raus.«
Die zweite Dame nickte. »Stimmt. Aber was viel schlimmer ist: Man wird süchtig danach. Daheim gehe ich in die feinsten Restaurants. Doch nichts schmeckt so gut wie verbotenes Essen während einer Fastenkur.« Sie hob ihr Glas. »Auf die besten Schuldgefühle seit der Erfindung der Kalorien!«
Niki nahm ihr Glas, füllte nach und setzte sich zu dendrei Frauen auf den Boden. Es war falsch, und es war entwürdigend, was sie taten. Vier erwachsene Frauen führten sich auf wie Teenager auf Klassenreise, die hinter dem Rücken des Lehrers hirnlosen Unsinn verzapften. Dummerweise machte es wirklich Spaß.
»Wieso bist du eigentlich hier?«, fragte Walburga, den Mund voller Nudeln. »Moment, sag nichts. Dein Kerl treibt’s mit einer Größe vierunddreißig, richtig?«
Einmal mehr hatte diese merkwürdige Frau ins Schwarze getroffen. Niki senkte den Kopf. »Könnte man so stehen lassen.«
Walburga tätschelte sich ihren voluminösen Bauch. »Ich sag immer: Wenn’s keine Kerle gäbe, wäre die Welt voll von dicken, glücklichen Frauen.«
»Und du?«, erkundigte sich Niki. »Ist bei dir auch ein Mann im Spiel?«
Walburga schmatzte vergnügt. »Nicht nur einer, darauf kannst du einen lassen. Obwohl es immer wieder überraschend ist, wie viele Männer auf Wertstofftonnen wie mich stehen. Auf was Griffiges, falls du weißt, was ich meine.«
Niki überlegte, was Walburga gemeint hatte, als sie gleich mehrere Männer andeutete. Sie konnte sich schwer vorstellen, dass auch nur ein einziges männliches Exemplar Interesse an diesem rülpsenden Fleischberg zeigte.
»Sag mal …«, sie zögerte. »Was machst du eigentlich beruflich?«
Die beiden Damen kicherten.
»Ich bin im Dienstleistungsgewerbe«, antwortete Walburga.Sie schlürfte ihren Wein. »Wenn du’s ganz genau wissen willst: Ich betreibe einen Edelpuff.«
Niki fiel fast das Glas aus der Hand. »Wie bitte?«
»Ist ’n anständiger Beruf wie jeder andere auch«, erwiderte Walburga.
»Und sehr lukrativ«, ergänzte eine der Damen. »Sonst hätte sie kaum die finanzielle Möglichkeit, sich im Vitalis aufzuhalten. Ich bin übrigens Tamara.« Sie deutet auf die Dame neben sich. »Und das ist Alexis.«
Stumm schüttelten sie einander die Hände.
»Jetzt, wo wir uns alle liebhaben, sollten wir gleich die nächste Pulle köpfen«, schlug Walburga vor. »Das ist übrigens der Wein von Doc Mannheimer, den er sich immer in der Mittagspause reinpfeift. Echt lecker. Ich könnte schon morgens meine Zähne damit putzen.«
Sie ging auf die Knie und zog sich langsam am Küchentresen hoch. Sportliche Fähigkeiten braucht sie jedenfalls nicht für ihren ausgefallenen Job, dachte Niki. Ob sie bei besonderen Kunden wohl selbst Hand anlegte?
Tamara drehte eine ihrer prachtvollen roten Locken um den Zeigefinger. Sie war etwa Ende vierzig und sah aus wie ein in die Jahre gekommener Posaunenengel. Trotz der späten Stunde war sie stark geschminkt. Die Wimpern hatte sie pechschwarz getuscht, ihre Lippen schimmerten dunkelrot.
»Wirklich köstlich«, sagte sie. »Ein Château Pétrus. Der kostet ein paar Hunderter, wenn man ihn im Lokal bestellt.«
Wie bitte? Niki runzelte die Stirn. In welcher Liga spieltedenn Tamara? Ein paar hundert Euro für eine einzige Flasche Wein?
Mit einem gekonnten Plopp entkorkte Walburga die neue Flasche und schenkte die Gläser
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